Der erste Ritt

Nachdem ich nun das Krankenhaus wieder verlassen habe (mir gehts übrigens wieder blendend) und die letzten Familienbesuche abgeschlossen sind, ging es dann nach bestimmt 7 Wochen auch wirklich los. Endlich, ey!

Erstes Highlight – noch in St.Gallen – war auf jeden Fall der Burning Alain, wo mein Bruder uns mit hingeschleppt hat. Bei dieser jährlich stattfindenden Feier zu Ehren des grossen Alain, welcher an diesem Tag Inkarnation feiert, wurde ein vier Meter hoher hölzerner Götze in der Form des heiligen Alain mühevoll in Handarbeit gebaut und im Anschluss – angezündet… Toll!

Nach einem kurzen Abstecher in Zürich und einem darauf folgenden morgendlichen Bad in der Limmat fahren wir weiter Richtung Kanton Schwyz wo auch schon die Kollegen von der Polizei auf uns warten.

Marco und die Polizei

„Grüezi, allgemeine Verkehrskontrolle!“
Oooukay…
„Das dauert etwas länger, der Kollege ist neu, das hat aber nichts zu bedeuten, keiner Sorge.“
Oooukay…
„Tolles Fahrzeug, wo geht es denn hin?“ Fragt mich der Polizist, ich erläutere ihm unser Vorhaben im Detail.
10 Minuten später soll ich dann aussteigen.
„Haben Sie in letzter Zeit Alkohol getrunken?“ Nein.
„Würden Sie mal bitte in das Röhrchen blasen?“ Klar.
„0,0 Promille“
„Dann würden wir mit Ihnen gerne noch einen Drogenschnelltest machen.“
„Das möchte ich nicht!“ antworte ich, „die Dinger haben eine viel zu hohe Fehlerquote, es gibt keinen Grund dies zu tun und ohne Befehl der Staatsanwaltschaft werde ich dem nicht zustimmen.“

(Hier muss zu meiner Verteidigung noch gesagt werden, dass dies in Deutschland das übliche Procedere ist. Wer einem solchen Test zustimmt kann durchaus Stress bekommen, da die Staatsanwaltschaft auf der Basis dieser sehr fehleranfälligen Tests eine Blutuntersuchung anordnen wird und dafür muss man dann ins Krankenhaus fahren und warten etc. Das dauert ewig.)

In der Schweiz läuft das wie ich jetzt erfahren durfte offenbar ein wenig anders mit dem Rechtssystem. Der alleinige Widerspruch reicht als Verdachtsmoment aus um eine Blutuntersuchung anzuordnen und ausserdem das gesamte(!) Fahrzeug zu durchsuchen (ohne Verfügung eines Richters, ohne Durchsuchungsbefehl, auch bei einem Wohnmobil!)
Nachdem ich das erfahren habe war es dann aber auch schon zu spät und der Stein war bereits am Rollen – na super.
Das zwischenzeitliche Ende vom Lied ist, dass unser Bus von oben bis unten durchsucht wurde, ich schon wieder im Krankenhaus gelandet bin und ausserdem bis das Ergebnis feststeht in der Schweiz kein Fahrzeug mehr lenken darf.
Ausserdem durfte ich eine Kaution von schlappen 2600 CHF abdrücken, für den Fall, dass der Bluttest positiv ausfallen sollte. Mindestens 1000 wird es aber sicher kosten, weil ich widersprochen habe. Tolles Rechtssystem!

Auf dem Untersuchungsbefehl stand am Ende, dass ich „gerötete und wässrige Augen“ hatte und „nervös und gesprächig“ war… zudem hätte ich (bei 30 Grad) geschwitzt…
Wenn es schon in der Schweiz so leicht ist in Probleme mit der Polizei zu geraten, sollte ich in Zukunft vielleicht einfach mal die Schnauze halten und machen was die sagen…

Das Positive an der Sache ist, das wir jetzt auch etwas schlauer geworden sind. Eine deutsche Fahrerlaubnis kann im Ausland z.B. nicht aberkannt werden, hierzu ist lediglich die Deutsche Behörde zuständig, die Plastikkarte kann zwar theoretisch abgenommen werden, dies ist aber rechtlich mehr als problematisch und wird daher eher nicht gemacht.
Der Führerschein wird unserer Recherchen nach auch nicht in Deutschland eingezogen, wenn man diesen im Ausland „verloren“ hat.

So, ab jetzt fährt also Runa. Wie früher, aber die Grenze ist ja nicht mehr weit.
Die langwierige Reise führt uns weiter ins Tessin, wo wir auf einem Restaurantparkplatz nach gefühlt unendlich langer Parkmanöverplanung unseren baldigen Schlafplatz bezogen haben.
Das Übernachten auf Gaststättenparkplätzen funktioniert übrigens ziemlich gut und zwei Bier sind erheblich günstiger als ein Campingplatz. Ausserdem bekommt man auf dem Campingplatz kein Bier geschenkt! 🙂
Wenn man also mal wieder zu viel gefahren ist als eigentlich nötig gewesen wäre, erspart die Kneipe die manchmal lästige Suche nach einem Stellplatz und besänftigt auch noch die Nerven mit kühlem Bier!

Am darauf folgenden Morgen holen wir noch ein Paket mit Sicherheitsprofilen für unser Fenster ab, welches ich nach Lugano in eine Postfiliale bestellt hatte und fahren dann weiter nach Italien.

Zwischenzeitlich hat uns Tobias noch geschrieben, er und Jule sind auch in Italien. Ob wir ihn da treffen werden?


Reisebeginn. Eine Baustelle weniger.

05.07.2020 – Gachnang, Schweiz.

Die Reise fängt gut an. Marco liegt in einem Krankenhaus in der Schweiz, ihm wurde letzte Nacht der Blinddarmfortsatz entfernt. Seit fünf Wochen hatte er bereits wiederkehrende Beschwerden in der Magen-Darm-Gegend, die gestern ihren Höhepunkt fanden. „Reine Routine-Operation“, wie der hochdeutschsprechende Chefarzt (in der Schweiz arbeiten überwiegend deutsche Ärzte, muss wohl an den satten Löhnen liegen) uns mitteilte. Alexander. Ein erfolgsversprechender Name, wie das Schildchen an seinem Arztkittel mir verriet. Das beruhigte mich irgendwie. Schon verrückt, was ein Name ausmachen kann.

So richtig beruhigt bin ich allerdings erst seit meinem heutigen Besuch am Vormittag im Kantonsspital Frauenfeld. Marco hatte zwar noch mehr oder weniger starke Schmerzen (die Frage einer Krankenschwester, wie er sein Schmerzempfinden auf einer Skala von 1 bis 10 einschätze, beantwortete Marco mit: „Keine Ahnung, zwischen 6 bis 8 würde ich sagen. Also, momentan habe ich gar keine Schmerzen.“), aber insgesamt machte er einen grundsoliden Eindruck auf mich. Trotz Schlauch im Bauch. Zudem ließen seine genauen Anweisungen, was ich ihm bitte mit ins Krankenhaus bringen soll („Ich brauche ’nen Stromadapter Schweiz, mein Tablet, Ladekabel für Tablet und Handy und meine Kopfhörer – in der Elektrokiste hinten.“), darauf schließen, dass es bei ihm wieder deutlich bergauf ging. Seinen Kulturbeutel hat er übrigens erst eine Stunde später auf die Liste gesetzt. Manchmal muss man halt Prioritäten setzen.

Gestern Abend war ich mir jedoch nicht so sicher, ob es eine gute Idee ist, sich auf Verdacht den Blinddarm rausnehmen zu lassen. Ganz nach dem Motto: Lieber einmal zu viel als zu wenig operiert. Echt jetzt? Zumal sich die Krankenhausaufenthalte von Marco im vergangenen Jahr mehr als gehäuft haben. Hörsturz durch Knalltrauma beim Busausbau im August, Augen-OP im Oktober, Hüft-OP kurz vor dem Corona Lockdown im März. Hab ich noch etwas vergessen? Ach ja, und jetzt eine Blinddarm-OP. Ich verliere bald den Überblick. 

Der simple Eingriff („Wir hatten vorhin erst einen Patienten, bei dem hat die Blinddarm-OP nur 35 Minuten gedauert und er war danach sofort wieder fit.“) hat sich in Marco’s Fall leider als doch etwas komplizierter herausgestellt. Die Operation hat bei ihm zwischen anderthalb und drei Stunden gedauert. So ganz genau konnte er mir das heute nicht mehr sagen. Viel ausführlicher hingegen war seine Beschreibung welche Auswirkung das Morphium auf seinen Körper gehabt hatte. Wieder ganz der alte Marco. Ich deutete auch das als Zeichen dafür, dass es ihm besser ging.

Im Nachhinein sei die OP wohl auch absolut notwendig gewesen, da die Entzündung im Blinddarm bereits fortgeschritten war und nicht mehr von allein abgeheilt wäre. Laut Chefarzt Alexander hätte eine Behandlung mit Antibiotika die Probleme nur um ein paar Wochen oder Monate nach hinten verschoben, d.h. früher oder später wäre es zu einer erneuten Entzündung gekommen, die im schlimmsten Fall zum Durchbruch geführt hätte. Keine rosigen Aussichten in Anbetracht dessen, dass wir jetzt noch überhaupt nicht wissen, in welchen Ländern und welchen Umständen wir uns in den nächsten Monaten befinden werden. Von daher: Gut, dass wir dieses Problem noch in der Schweiz beheben dürfen. Wieder eine Baustelle weniger. Danke, Alexander. 

Doch. Die Reise fängt gut an. Bleibt alle gesund.