Unsere Flüge nach Berlin waren gebucht. Mit Schmetterlingen im Bauch, aber auch mit ein klein bisschen Bauchschmerzen habe ich versucht mir vorzustellen wie unsere Rückkehr nach Deutschland werden würde. Nein, wir haben natürlich nicht unsere Reise abgebrochen. Und ja, es sollten nur ein paar Tage temporäre Heimreise sein. Einmal impfen und zurück. Nichts dramatisches. Trotzdem tobten meine Gefühle wie eine Achterbahn. Es war Ende Juli 2021 und wir „überbrückten“ die Woche vor dem Flug mit einer Fahrt über die georgische Heerstraße nach Stepanzminda (auf meinen Wunsch hin – warum das erwähnenswert ist, wird im Laufe des Artikels deutlich). Am Zhinvali Stausee machten wir einen kurzen Halt, um den traumhaften Sonnenuntergang zu würdigen. Aus dem benachbarten Auto klang laute Musik, die beiden betrunkenen und äußerst gut gelaunten Autoinsassen torkelten zu uns rüber und schenkten uns eine 2 Liter Flasche Fanta mit abgefülltem Chacha (selbstgebrannter Tresterschnaps) – anscheindend das Nationalgetränk Georgiens und nicht der letzte Schnaps, den wir noch geschenkt bekommen sollten. Wir fuhren (natürlich nüchtern) zu unserem nächtlichen Stellplatz etwas weiter nördlich am Fluss und setzten die Fahrt am nächsten Tag fort. Das Russisch-Georgische-Freundschaftsdenkmal passierten wir im dichten Nebel und auch die Arbeitstage von Marco verbrachten wir hauptsächlich bei Nebel und Regen auf einer Bergwiese nahe der Passhöhe vom Kreuzpass. Einmal hagelte es sogar. Die Tiere um uns herum bereiteten mir trotzdem viel Freude.
Als hätte das Wetter die Uhr für uns gestellt, klarte der Himmel am Dienstag pünktlich zum Feierabend kurz auf und wir nutzten unsere Chance, die paar Kilometer zum Denkmal zurückzufahren. Endlich konnten wir einen Blick auf das beeindruckende Bergpanorama um uns herum werfen und ein Fleckchen blauen Himmel genießen. Weiter ging es noch am gleichen Abend Richtung Truso Schlucht. Ich sag mal so, die Fahrt war abenteuerlich, aber wunderschön.
Auch im Truso Tal war es nass und feucht, doch wir ließen uns nicht aufhalten und wanderten mit Regensachen im Gepäck los (die wir kurz darauf auch schon wieder auspacken und anziehen mussten). Natürlich kamen wir klitschnass am Bus zurück, doch die Wanderung war alle Strapazen wert. Mit ihren sanften Hügeln, dem reißenden Fluss, den gelb- und rotgefärbten Schwefelquellen und dem kalt-sprudelnden Mineralsee ist die Schlucht einfach spektakulär anzusehen. Dank Heizung im Bus gelang es uns die Kleidung (und uns selbst) auch einigermaßen wieder trocken zu kriegen.
Wieder auf der Hauptstraße angekommen, verging die restliche Fahrt nach Stepanzminda relativ zügig. Unseren Versuch über die Offroad-Strecke hoch zur Dreifaltigkeitskirche zu kommen mussten wir jedoch abbrechen (ich legte an einer besonders steilen und rutschigen Stelle mein Veto ein) und Marco war den Rest des Abends damit beschäftigt einen besonders hartnäckigen Stein aus unseren Zwillingsreifen herauszuoperieren. Ich hatte vom Wandern noch nicht genug und weckte Marco morgens um 6 Uhr, weil gegen Mittag schon wieder Regen angesagt war und der Kazbek zur frühen Stunde auch einfach toll von der Morgensonne angestrahlt wurde. Oben angekommen zog das Wetter bereits langsam wieder zu und „Georgiens beliebtestes Fotomotiv“ (die Kirche vor dem Berg) sah gar nicht so eindrucksvoll aus. An der Kirche selbst trübten die vielen Selfie-machenden Touristen (die sich overdressed mit dem Offroad-Taxi hochfahren ließen) und eine surrende Drohne das Bild. Doch immerhin lohnte sich ein Blick in die Kirche, denn dort fand gerade eine Zeremonie mit Gesang bei Kerzenschein statt. Von Marco musste ich mir die nächsten Tage ein mehrfaches „Hab-ich’s-doch-gesagt“ anhören und weitere Diskussionen über den Sinn und Unsinn, touristische Orte auf unserer Reise anzusteuern, folgten.
Auf dem Rückweg Richtung Tiflis hielten wir am Bazaleti See, wo wir eine große Aussortieraktion machten. Das bedeutete: Einmal den kompletten Bus ausräumen und nur die Sachen wieder einräumen, die wir auf der Reise behalten wollten. Der Rest wurde entweder entsorgt, verschenkt oder in einer Tasche verstaut, die im Flugzeug mit nach Berlin reisen durfte. In Tiflis drehten wir eine Auscheckrunde um den Flughafen. Über mehrere Ecken hatten wir zwar auch das ganz liebe Angebot bekommen, unseren Bus auf einem Privatgelände in der Stadt zu parken. Doch der überwachte Bezahlparkplatz direkt am Flughafen machte so einen sicheren Eindruck auf uns, dass wir uns trauten, Waldrian dort für drei Tage allein stehen zu lassen. Die letzten Tage vor Abflug (inklusive Marcos Arbeitstage) verbrachten wir „hinter den Kulissen“ – so nannte ich liebevoll die geteerte Fläche hinter einer Kunstinstallation, die von Fahranfängern für Autofahr- und Einparkübungen genutzt wurde. Einmal glaubten wir ein Kind am Steuer sitzen zu sehen. Manchmal drehte auf dem Platz auch ein Jogger seine Runden, der einen an einer Kette befestigten Autoreifen hinter sich herzog. Ein skurriles Bild.
Dann war es soweit. Wir flogen tatsächlich nach Berlin, hetzten mal eben kurz innerhalb von drei Tagen von Termin zu Termin. Arztbesuche, Corona-Impfung (um die es ja primär ging), diverse Einkäufe (von Dingen, an die wir im Ausland nicht rankommen), Marco lernte seine Arbeitskollegen persönlich kennen … und neben dem Notwendigen noch das Wichtigste: Freunde und Familie treffen!!! Was soll ich sagen, es war wunderschön und viel zu kurz, aber wir haben es so gewollt. Es sollte bewusst nur einen gefühlten Herzschlag lang dauern, denn sonst hätte uns das Heimweh vermutlich viel zu doll gepackt und so fühlte sich das kurze Wiedersehen mit unseren Liebsten einfach nur an wie ein schöner Traum.