Soldaten, Sandsturm, Silvester.

Normalerweise lieben wir Hauptstädte. Aber Tehran? Mit der Hauptstadt vom Iran sind wir nicht wirklich warm geworden. Tehran war für uns eine Stadt voller Autos, Smog und lautem Verkehr. Doch vielleicht tun wir dieser Stadt ja unrecht. Ein paar schöne Momente gab es schon. Zum Beispiel Marcos Besuch bei Iran Kodhro Diesel. Er verweilte dort zwei Stunden auf der Suche nach Ersatzteilen, zwar erfolglos, jedoch im kundenfreundlichen Beisein von mehreren Mitarbeitern, die ihr Bestes gegeben haben. Einen besonders tollen Abend verbrachten wir im Zuhause von unseren neuen iranischen Freunden Farshid und Ziba, die wir in Dizin kennengelernt hatten. Die beiden luden uns zum Abendessen ein und wir durften eine heiße Dusche bei ihnen schnorren. Wie in tausendundeiner Nacht fühlten wir uns beim Anblick von einem Mausoleum, auf dessen Parkplatz wir übernachteten. Leider bemerkten wir am nächsten Morgen neue rote Flecken bei Struppi am Bauch, die darauf hindeuteten, dass ihre Vergiftung noch nicht geheilt war. Aus diesem Grund mussten wir länger in Tehran bleiben als gedacht – und zwar mal wieder direkt neben dem Pet Hospital. Statt Weihnachten zu feiern bestanden unsere Feiertage darin, bei Struppi Blut abnehmen und ihr zweimal täglich Vitamin-K-Spritzen geben zu lassen. Als sie von den Infusionen mehrfach allergische Reaktionen bekam, die wiederum mit Anti-Allergie-Spritzen behandelt werden mussten, war sowohl für uns als auch für Struppi (die seitdem tierische Angst vor Tierärzten hat) die Grenze erreicht. Wir brachen die Dauertherapie ab, um uns allen eine Pause von den Strapazen zu gönnen. Natürlich behielten wir unseren Hund in den folgenden Wochen ganz genau im Blick, um sofort zu erkennen, falls die Symptome wieder auftreten würden. Um es vorweg zu nehmen: Seitdem blieb Struppi glücklicherweise symptomfrei in Bezug auf den Rattengift-Vorfall. Ende gut, alles gut!

Ein paar Tage blieben wir noch in Tehran und Umgebung, um im Notfall schnell wieder in der Tierklinik sein zu können. Wir besichtigten den Golestan Palast, der trotz gepfefferter Eintrittspreise sehr zu empfehlen ist. Vor allem die „Spiegelhalle“ hatte es uns angetan und wir hatten sichtlich Spaß am Fotoschießen.

Am nördlichen Stadtrand gingen wir in einer Flaniermeile richtig gut essen, spazierten durch den Park vom Saadabad Palast Komplex und ließen uns zu Silvester auf einem Parkplatz über der Stadt nieder, wo wir beim Abendessen einen Kellner mit dem kunstvollen Namen Renaissance kennenlernten, den wir am nächsten Morgen auf der Aussichtsplattform wiedertrafen. In der Silvesternacht 2021/22 lagen wir um Mitternacht übrigens bereits im Bett und hörten maximal zwei oder drei Raketen steigen. Unser westlicher Kalender scheint den Iranerinnen und Iranern also ziemlich egal zu sein. Am Neujahrstag fuhren wir eine Runde Bob, bekamen in der Bank beim Kontoauszugholen ein paar Blümchen geschenkt, verließen die Hauptstadt in Richtung Süden und erhielten beim Videocall mit meinem Bruder und seiner Frau die frohe Botschaft, dass Nachwuchs auf dem Weg sei. Mit herzergreifenderen Nachrichten kann ein neues Jahr gar nicht starten. Alles Gute der zukünftigen Familie!

Endlich durfte Struppi nach anderthalb Wochen Stadtleben wieder freilaufen. Wir suchten uns bewusst Plätze in der Natur, wo das möglich war. Ein besonders schöner Ort war der Salzsee bei Qom. Diese Naturkulisse ludt zur ausgiebigen Fotosession ein und wir fuhren den Steg mit Begeisterung rauf und runter. Als Schlafplatz fanden wir ein nettes Plätzchen in der Nähe, wo wir bereits mit dem Kochen vom Abendessen anfingen, als wir ein Auto mit Blaulicht auf uns zurollen sahen. Zwei Männer stiegen aus. Ein älterer Polizist und ein junger Soldat mit Maschinengewehr. Sie erklärten uns in Zeichensprache mit Englisch-Bruchteilen, dass dieses Gebiet eine No-Go-Area sei und wir mitkommen müssten, um Fragen zu beantworten. Keine Diskussion. Was folgte war ein fünfstündiges Verhör, in dessen Zuge wir zu mehreren Orten eskortiert worden sind. Der Soldat hieß Ali und war extrem nett. Er witzelte die ganze Zeit mit uns rum und beim ersten Stop, einem Militär-Stützpunkt, wo die erste Busdurchsuchung und mehrere Fragerunden erfolgten, zeigte er uns ganz stolz die Hundebabies. Weiter ging es nach Qom, wo das Passport-Office exklusiv für uns öffnen musste, um unsere Pässe zu kontrollieren. Wir erzählten erneut unsere Geschichte, tranken Tee und ließen unsere Dokumente scannen. Bei der letzten Station sollten eigentlich nur noch unsere Telefone kontrolliert werden, doch die Männer vor Ort forderten „all digital devices“, durchsuchten unseren Bus erneut und prüften in unserem Beisein mehr oder weniger sorgfältig die zahlreichen Geräte. Witzig war, dass mein Vater mir an diesem Abend „Der Adler ist gelandet“ per Messenger schrieb (weil ein Paket in Deutschland für uns angekommen war) und der Beamte besonders skeptisch nachfragte, wer denn dieser Mann sei. Nach einer letzten Runde Tee verweigerten wir die Unterschrift des Polizei-Berichtes mit der Begründung kein Farsi lesen zu können. Okay, no problem! Dann durften wir nach 5-Stunden-Verhör endlich gehen.

Von Qom aus fuhren wir über Kashan – ehrlich gesagt ziemlich spontan – in die Wüste Maranjab: Wellblechpiste, Sandspaziergang, Sternegucken, Morgenspaziergang, Wüstenfahrt zu den Dünen und auf den Salzsee – bis hierhin ein erlebnisreicher Ausflug und an Highlights nicht zu toppen. Doch es sollte noch erlebnisreicher werden, denn Marco wollte unbedingt noch um die Dünen herumfahren. Die Piste wurde schmaler, die Straße verwehte, wir dachten drehen wir mal besser um… und plötzlich steckten wir fest. Dummer Anfängerfehler, aber da standen wir nun. Alleine in der Wüste, ohne Sandbleche, kilometerweit keine Menschenseele. Etliche Versuche des Ausgrabens wollten einfach nicht funktionieren und es bahnte sich ein Sandsturm an. Wasser hatten wir genug, aber unsere Lebensmittel- und Kochgasvorräte waren knapp. Und zu allem Übel hingen an der letzten Klopapierrolle nur noch wenige Blätter Papier. Ach ja, der Internetempfang war ebenfalls bei Null. Doch wir hatten auch ein bisschen Glück, denn am Checkpoint vom Wüsten-Eingang wurde uns die Nummer eines perfekt englischsprechenden Iraners gegeben. Also riefen wir Michel (so war sein Name) an und nach langem Hin und Her (es war Wochenende und Feiertag, weshalb es wohl eigentlich verboten sei, in die Wüste zu fahren) konnte er uns ein Rettungsteam für schlappe 150 Dollar klarmachen. Das tat weh, aber okay: Deal! Wir schwörten uns an diesem Tag, niemals mehr unvorbereitet und allein in die Wüste zu fahren. Wir lernten, dass ein kleines Allradfahrzeug einen schweren Truck wie Waldrian aus dem Sand ziehen kann. Und wir wurden völlig überrascht als uns auf dem Rückweg unsere Reisefreunde Martina und Tobias (aka „Olga on tour“) mit ihrem Defender entgegenkamen. Per Satellit hatten sie unsere Nachricht empfangen und sind prompt losgefahren, um uns zu retten. Oh man, hätten wir ihre Antwort erhalten, hätten wir uns den teuren Rausziehdienst sparen können. Hätte, hätte. Der Auftritt der beiden war jedenfalls unbezahlbar und auch wenn wir uns bis heute noch gar nicht richtig revanchieren konnten, unsere ewige Dankbarkeit ist ihnen gewiss. Der Abend endete übrigens mit einer Einladung zum Tee bei Michel, den wir bei uns im Bus mitgenommen hatten. Er machte der iranischen Gastfreundschaft alle Ehre, indem er uns zwei Fliesen aus der bemerkenswerten Kunst-Werkstatt seiner Frau schenkte und uns später am Abend noch Suppe zum Bus brachte. Vielen Dank, wie aufmerksam!

Nach morgendlichem Busausfegen (es war seeehr viel Sand drin) besichtigten wir den Schrein in Bidgol. Am Eingang wurde mir ein Ganzkörper-Hijab in die Hand gedrückt. So erfuhr ich zwangsweise am körperlichen Laibe welche Einschränkung den Frauen hierzulande aus religiösen Gründen auferlegt wird. Das Kopftuch ist ein Witz dagegen (auch wenn ich es aus meiner Sichtweise bereits einschränkend genug finde). Aus Respekt hielt ich mich in der Öffentlichkeit natürlich trotzdem an die Kleiderordnung und verspürte dabei sehr oft Dankbarkeit dafür, dass ich in Deutschland die Freiheit habe zu tragen was ich will. Die Suche nach einer Dusche in Kashan endete in einem malerischen Hotel. Die Mitarbeiter waren super nett und so interessiert an unserer Reise, dass wir sie noch auf einen Sprung in unseren Bus einluden. Zudem wollten wir in Kashan unser Visum verlängern lassen. Der Behördengang klappte am Freitag nicht, weil Wochenende war (im Iran immer donnerstags und freitags). Am Samstag klappte es nicht, weil der Chef im Urlaub war. Am Sonntag hatten wir schließlich Erfolg und erhielten die Bestätigung, erneut 30 Tage im Lande bleiben zu dürfen. In der Zwischenzeit schauten wir uns die Stadt an, besichtigten ein historisches Badehaus, schlenderten über den Bazaar und trafen unsere Reisefreunde Frieda und Sebastian wieder. Sie wollten mit Olga und der Globelotte-Familie, die wir auch schon aus Armenien kannten, in die Wüste. Wir nutzten die Chance und schlossen uns an. Schließlich haben wir ja gelernt, uns nicht mehr allein auf eine Wüstentour zu wagen. Diesmal wollten wir besser vorbereitet sein: Wasserfüllen, Gasfüllen, Tanken, Wocheneinkauf und einmal alle Schrauben festziehen. Es gab noch ein Gruppentreffen am Wüstenrand mit Lagerfeuer zum Einklang und dann ging es am Sonntagnachmittag zusammen los. Eine Kolonne in die Wüste Maranjab. Diesmal richtig.

Ein Gedanke zu „Soldaten, Sandsturm, Silvester.“

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