Innerhalb von zwei Tagen sind wir mal eben schnell (d.h. in Bestzeiten auch mal mit 70km/h) durch Ungarn gecruist. Der Grenzübergang von Slowenien nach Ungarn war leer. In drei Tagen würde es hier wohl anders aussehen, da am 1.9. die ungarische Grenze dicht machen soll. Eine Übernachtung in Ungarn haben wir uns dann doch gegönnt. An einem Badesee in Kristolmacs. Highlight des Abends: Marco hat zum ersten Mal Shakshuka gekocht. Vielleicht wird er das Rezept – original nach Dr. Shakshuka – bald mit euch teilen. Am nächsten Tag wurde es ernst. Unsere erste „richtige“ Grenzkontrolle stand bevor, da wir mit Serbien das erste Nicht-EU-Land befahren würden. Naja, so richtig motiviert waren die Grenzbeamten dann doch nicht. Aber unseren Bus fanden sie cool. So ging es also am Abend vom 30.8. relativ unspektakulär auf serbische Straßen und wir haben uns auf Anhieb sehr wohl in dem Land gefühlt.
Was war nochmal am 31.8.? Ach ja, Marcos Geburtstag! Er hat sich gewünscht den Tag in Serbien zu verbringen – check! Zur Feier des Tages haben wir uns für zwei Übernachtungen auf einem Campingplatz niedergelassen. Okay, und auch deshalb, weil wir an mehreren Stellen gelesen haben, dass man sich innerhalb von 24 Stunden in Serbien offiziell anmelden muss, damit man später keine Probleme bei der Ausreise bekommt. Diese Anmeldung würde das Hotel oder die Unterkunft übernehmen. Unser Campingplatzbesitzer meinte zwar, das würde niemand kontrollieren, aber er hat uns den Wisch trotzdem ausgestellt. Hat im Nachhinein auch nie jemand nach gefragt. Highlight des Campingplatzes: Kaltes Bier im Pool und danach richtig heiß duschen. In Sombor haben wir uns dann noch mit einer Touristenkarte von Serbien ausgestattet und schon ging es weiter nach Novi Sad.
Es war mal wieder an der Zeit die Wäsche zu waschen. Das Waschen selbst geht im Waschsalon ja ziemlich fix, aber die Wäsche zu Trocknen ist für uns jedes Mal die eigentliche Herausforderung, da wir unsere Kleidung keinem maschinellen Wäschetrockner anvertrauen wollen. Wir machten uns mit zwei IKEA Beuteln voller nasser, gewaschener Wäsche auf Platzsuche etwas außerhalb der Stadt. Im Stadtkern von Novi Sad hätten wir die Befürchtung gehabt, am Morgen weniger Klamotten vorzufinden als wir am Abend aufgehängt hätten. Vielleicht zu unrecht, wer weiß. Die Platzsuche führte uns zu Milan, den wir auf seinem Grundstück im Grünen wahrscheinlich völlig überrumpelten als wir anhielten und ihn auf Englisch (und mit Händen und Füßen) fragten, ob wir für eine Nacht bei ihm stehen bleiben könnten. Erst nachdem er uns bereits zugesagt hatte, merkte er wohl, dass wir ein deutsches Kennzeichen haben. Ab da verlief die Kommunikation etwas leichter, weil er Deutsch in der Schule gelernt hatte. Er lud uns auf einen selbst gebrannten Schnaps ein und erklärte uns dann, dass er für zwei Stunden nochmal mit dem Fahrrad in die Stadt fahren würde. Wir könnten gern bei ihm im Haus Fernsehen gucken. Ist das nicht eine überwältigende Gastfreundschaft? Wir machen uns Sorgen, dass uns in der Stadt jemand die Wäsche klauen könnte und Milan lädt uns – zwei fremde Menschen – zu sich ins Haus ein. Ich finde, von so viel Gastfreundschaft, Aufgeschlossenheit und „Fremdenfreundlichkeit“ können wir Deutschen uns eine gehörige Portion abschneiden. Am nächsten Morgen versorgte uns Milan mit einem türkischen Kaffee und noch einer Runde Schnaps (für Marco als Fahrer gab es nur einen halben) und zum Abschied schenkte er uns sogar noch eine kleine Flasche Sekt. Auf dich, Milan!
Es schien der Tag der Geschenke zu sein. Im Nationalpark Fruska Gora standen wir auf einem Parkplatz und waren gerade lautstark am Diskutieren was wir in diesem Nationalpark überhaupt machen wollen würden – als es an unsere Scheibe klopfte. Zwei Männer mit zwei Hunden hielten uns einen Trüffel entgegen: „Here, this is for you!“ Völlig verblüfft pressten wir gerade noch so ein „Thank you!“ heraus – da waren sie schon wieder weg. Wow, ich hatte zuvor von unserer Diskussion schon Tränen in den Augen (ich war an dem Tag nervlich etwas labil unterwegs), aber diese nette Geste gab mir dann den Rest. Von dieser Freundlichkeit und Selbstlosigkeit tief berührt, kullerten die Tränen nur so an meinen Wangen herunter. Nach so einem schönen Erlebnis konnte der Tag nur noch gut werden. Marco experimentierte im Nationalpark mit Stahlseilresonanzen, ich freute mich über den hübschen Wölkchenhimmel und wir fanden ein Bett im Kornfeld – endlich wieder Wildcampen!
Nach so viel Natur war das nächste Ziel stadtklar: Wir wollten nach Belgrad! Ein kostenloser Parkplatz mitten in der City am Wasser gelegen direkt neben einem Militärstützpunkt bot uns maximale Sicherheit. Wir wurden vom Wachposten sehr nett empfangen. Die Schiffspromenade und die Innenstadt erkundeten wir wie immer mit dem Fahrrad. Die Räder gehören mit zu unserer wichtigsten Reiseausstattung. Wenn wir damit durch fremde Städte cruisen fühlt es sich für uns sofort wie zu Hause an. Als würden wir mal eben durch Berlin zum nächsten Späti radeln. Nur bei unserem ersten Cevapcici tappten wir in die Touristenfalle und haben versehentlich viel zu teuer zu Abend gegessen. In den nächsten Tagen wurde der günstige Imbiss nebenan unsere Anlaufstelle Nummer 1, wenn es um die tägliche Nahrungsaufnahme ging. Alternativ: Stullen geschmiert und ab auf’s Rad. Günstiger geht’s nicht. Unsere Erkundungstouren durch diverse „hippe“ Bezirke Belgrads waren tagesfüllend, viel mehr Programm brauchten wir gar nicht. Nur einmal bezahlten wir Eintritt, das war im Tesla Museum. Am Wochenende machten wir einen Stellplatzwechsel, um noch näher am Geschehen zu sein. Wir parkten direkt im Szenebezirk, da wo die ganzen Bars waren (u.a. unsere neue Lieblingsbar Yugovinyl). Samstagnacht konnten wir es nicht lassen und sind – um 19:30 Uhr – in den Drugstore gegangen. Ein Techno Club, der glücklicherweise draußen im Hof seinen Floor eröffnet hat. Bis um 8 hatten die dort freien Eintritt und überraschenderweise war die Tanzfläche um 20 Uhr auch tatsächlich gefüllt und die Partycrowd sehr gut gelaunt. War sehr witzig, wir haben aber nur bis um 1 durchgehalten. Der Kater am Sonntag fühlte sich leider so schlimm an als hätten wir durchgemacht. Da half nur noch ein Konterbier.
Wir verließen Belgrad nach 5 Tagen mit dem Gefühl dort auch einfach bleiben zu können. Ich finde es spannend zu merken, dass auch Großstädte anderer Länder ihren Reiz auf mich ausüben. Das hätte ich nicht unbedingt erwartet. Vor der Reise habe ich gedacht, dass wir größere Städte eher meiden werden, aber mittlerweile zeichnet sich ein anderer Trend bei uns ab. Das coole ist, dass wir durch das Großstadtleben in Berlin echt einiges gewöhnt sind und uns dadurch in anderen Metropolen ziemlich schnell und einfach zurecht finden. Selbst innerstädtisches Autofahren ist bislang noch kein Problem, das habe ich mir schlimmer vorgestellt. Aber warten wir erstmal ab, was für Städte noch auf uns zukommen. Man sollte den Tag ja nicht vor dem Abend loben.
Im Speckgürtel von Belgrad haben wir die Nacht auf dem IKEA Parkplatz verbracht. Es gab leckeres Trüffelessen von Marco zubereitet und wir zogen uns das Finale von Stranger Things rein. Morgens folgte ein mittelmäßiges Frühstück im IKEA Restaurant mit anschließendem Laptopnachmittag (wir waren mal wieder scharf auf freies Internet, denn unser Roamy schwächelte in Serbien ganz schön). Außerdem kauften wir Vorratsdosen gegen Mottenalarm und … Stühle!!! Ja genau, die bekommen gleich drei Ausrufezeichen!!! Optisch werden unsere neuen Sommermöbel zwar keinen Preis gewinnen, aber die beiden Klappstühle entwickelten sich in kürzester Zeit bei uns zum absoluten Game Changer. Wir können jetzt endlich ordentlich zusammen am Tisch sitzen. Sogar auf Augenhöhe (davor hatten wir nämlich nur einen hohen und einen niedrigen Campingstuhl, in die man tief versunken ist). Eine völlig neue Lebensqualität kehrte in unser Vanlife ein. Frühstück an Tisch und Stühlen. Laptoparbeit mit geradem Rücken. Ja, selbst im Bus kann ich mir einen Arbeitsplatz einrichten, indem ich den Beifahrersitz nach vorne klappe und dort Tisch und Stuhl aufstelle. Ihr merkt, ich bin begeistert. Ich möchte nie wieder einen Stuhl in meinem Leben missen. Nie wieder.
Die folgende Woche fuhren wir immer an der Donau entlang. Eine besonders schöne Kettenreaktion ereignete sich in Smederevo. Wir hatten kurz vor Belgrad bemerkt, dass uns ein Autoteil fehlt. Irgendwie muss uns eine der zwei Schellen, die die Stabistange an den Vorderachskörper befestigen (habe ich mir von Marco sagen lassen), abgefallen sein. Es war nur noch eine Schelle dran. Bei unserem Bus natürlich eine Spezialausführung, die man nicht so einfach bekommt. Beim Schrottplatz nachgefragt. Telefon ans Ohr bekommen, der Sohn kann Englisch. Zum Sohn in die Stadt gefahren, er zeigt uns einen Auto Service, der uns helfen kann. Der Geschäftsführer dort kümmert sich persönlich um uns. Fährt kurz wohin, kann das Teil aber nicht auftreiben. Lässt aber seine Kontakte spielen und einen Mechaniker kommen. Wir folgen dem Mechaniker vor sein Haus, er baut uns innerhalb von drei Stunden die Schelle nach und setzt das Teil ein. Sieht gut aus, hält bis heute. Manchmal läuft’s. Ach ja, die Wartezeit haben wir in Smederevo mit der Besichtung einer Festung verbracht, die wir zum Abend hin dann auch als Schlafplatz auserkoren haben.
Mega schöne Fotos . Danke für die Infos. Ich verfolge Euch auf der Karte laufend.
Gruss K & R
Macht sehr viel Spass euch auf eurer Reise zu begleiten. Mit den wunderbaren Bildern und Kommentaren habe ich das Gefühl auf dem „Rücksitz“ mitzufahren.
Macht weiter so. And „take the slow road“ meint der begeisterte Patenonkel.😎