Agra, Mumbai, Schiff & Flug.

Eine Weltreise ist wie ein Dauerurlaub, oder? Manchmal ja, manchmal nein. Die Fahrt durch Indien verlangte uns jedenfalls so viel ab, dass wir nach fünf Monaten in diesem wunderschönen, aufregenden aber auch kräftezehrenden Land dringend eine Auszeit brauchten. Und was wäre da naheliegender als einfach mal eine Woche Hotelurlaub zu machen? Also buchten wir uns eine Woche lang ins Taj View Hotel ein und genossen Frühstücksbüffet, Klimaanlage, Fitnessraum, Swimmingpool, Hundfreilauf im Garten, Hotelrestaurants am Abend und eine klassische Cocktailauswahl an der Hotelbar. Marco arbeitete und ich kümmerte mich um Struppi und unseren Reiseblog. Und dann durften wir in dieser Hotelwoche noch eine wichtige Entscheidung treffen. Nämlich wie die Reise weitergeht. Das war leider ganz schön kompliziert. Da wir über den Landweg vorerst nicht weiter bzw. nach Hause kommen sollten (Krieg in Myanmar, Grenzen dicht nach China, Proteste im Iran) und die Verschiffungspreise nach Europa zu dem Zeitpunkt einfach unbezahlbar waren, skizzierten wir folgende Möglichkeiten: 1) Fahrt nach Mumbai, Verschiffung nach Malaysia und dann die Wintermonate durch Südostasien reisen. 2) Fahrt zurück nach Pakistan, Verschiffung nach Europa (weil von dort aus eventuell günstiger) und dann im Winter in der Türkei Klettern gehen. 3) Fahrt zurück nach Nepal, neues Visum beantragen, den Winter im Süden von Indien verbringen und ein paar Monate später gucken, ob es dann vielleicht über den Landweg weitergeht. Wir hatten zwar Zweifel, ob die Verschiffung von Mumbai aus überhaupt klappen würde, aber dennoch entschieden wir am Ende der Hotelwoche bei einem Cocktail in der Lobby: Wenn schon, denn schon! Lass uns noch mehr erleben und nach Südostasien verschiffen. Ob es klappen wird? Wer weiß das schon, aber lass es uns doch einfach ausprobieren!

An unserem Abreisetag wollten wir natürlich noch die Attraktion sehen, für die wohl die meisten Touristen in die Stadt Agra kommen. Auch wir wollten uns einen Besuch vom Taj Mahal nicht entgehen lassen. Das palastartige Marmor-Mausoleum gilt als Symbol unsterblicher Liebe und bekam wegen seiner Schönheit und Größe einen Platz auf der Liste der sieben neuen Weltwunder. Das muslimische Bauwerk, dessen Bau 1632 begann und über zwanzig Jahre dauerte, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist wohl eines der imposantesten Gebäude der Welt, weshalb dieser prächtige Palast aus weißem Mamor zu den Wahrzeichen Indiens zählt. Im Morgengrauen (für Marco viel zu früh am Morgen) spazierten wir durch die dunklen Gassen von Agra zu den Eingangstoren vom Taj Mahal und waren natürlich nicht die einzigen, die das Grabmal bewundern wollten. Eine Stunde später hätten wir wahrscheinlich nicht so lange anstehen müssen, dennoch war die Stimmung zum Sonnenaufgang eine ganz besondere und zumindest ich war zufrieden mit unserer morgendlichen Aktion (Marco würde jetzt sagen, dass sich ein Besuch vom Taj Mahal überhaupt nicht lohnt, aber das ist ja – wie so vieles im Leben – Ansichtssache).

Wir hatten nun also die Entscheidung getroffen, nach Mumbai zu fahren und tatsächlich den Plan mit der Verschiffung anzugehen. Auf dem Weg schauten wir uns Höhlen mit Buddha Figuren an und besichtigten ein mit Tiermotiven verziertes Fort. Einer unserer Stellplätze inmitten einer Buschlandschaft lud zum Beobachten von echten Tieren ein (tagsüber kam eine Borstenschweinfamilie vorbei und zur Abenddämmerung heulte ein wilder Hund so eigenartig, dass er fast mit einem Wolf zu verwechseln war). Marco war immer noch regelmäßig am Joggen und erweiterte sein Trainingsprogramm sogar noch mit dem Kauf von Hanteln, die er seitdem für sein Krafttraining nutzt. 

Die Fahrt führte uns durch mit Blumengirlanden festlich geschmückte Ortschaften. Es standen Feiertage bevor und das sah man nicht nur den Leuten und den Häusern an, es wurden auch viele der herumlaufenden Kühe und Wasserbüffel verziert und angemalt. Überall gab es Stände, an denen man Festtagsschmuck kaufen konnte. Die Menschen feierten das Lichtfest Diwali (das in Indien einen vergleichbaren Stellenwert hat wie bei uns die Weihnachtsfeiertage) und auch wir stellten in der Festnacht im Cockpit ein paar Kerzen auf. Beim Erwachen standen wir mal wieder etliche Besucher um unseren Bus herum und guckten neugierig ins Fenster rein. Auf der Suche nach Joghurt kümmerte sich der Supermarktchef persönlich darum, dass uns das fehlende Produkt von seinem Mitarbeiter innerhalb von zwei Stunden (ja, ich wartete solange höflich) geliefert wurde. Und beim Übernachten neben einem Food Court (wo wir eine magische Sonnenfinsternis miterleben durften) bekam ich nachts Durchfall und Fieber, weshalb wir mich am nächsten Tag mit Verdacht auf Malaria ins Krankenhaus brachten. Was man halt alles so erlebt, wenn man einmal quer durch Indien fährt. Die Blutuntersuchung auf Malaria fiel glücklicherweise negativ aus. Unglücklicherweise hielt ich ein paar Tage später einen positiven Covid-Schnelltest in der Hand. Ich hatte mir im Krankenhaus tatsächlich Corona eingefangen (vermutlich weil einer der Mitarbeiter permanent hustete, wobei der Chefarzt auf unsere kritische Nachfrage bloß beteuerte: „This hospital is 100 percent covid free!“). 

Ende Oktober 2022 erreichten wir Mumbai. Wir kamen an einem Freitag kurz vor Feierabend im Büro von der Verschiffungsfirma NMT an, mit der wir zwar schon wochenlang in E-Mail-Kontakt standen, es jedoch so schien als würden sie keinen Finger rühren bis wir tatsächlich mit dem zu verschiffenden Fahrzeug vor Ort wären. Und so war es dann auch. Auf einmal machte alles einen halbwegs professionellen Eindruck, wir wurden in einem Meetingraum mit Getränken versorgt, lernten unsere Ansprechpersonen kennen und konnten die nächsten Schritte persönlich miteinander besprechen. Puh, waren wir erleichtert! Überhaupt fiel uns in Mumbai ein riesiger Stein vom Herzen. An der Hafenpromenade, wo wir uns in der ersten Nacht hinstellten, beobachtete ich morgens bei einem kühlen Lüftchen das sportliche Treiben und war zu Tränen gerührt endlich auch wieder Hundebesitzer*innen und Frauen in kurzen Sportklamotten zu sehen. Indien ist nicht gleich Indien und die Fahrt durch Uttar Pradesh hatte uns doch einiges abverlangt. Was für ein gutes Gefühl, nach so langer Zeit wieder in einer Metropole angekommen zu sein. Über die iOverlander App fanden wir eine nostalgische Tankstelle, die als Treffpunkt für Reisende diente. Der nette Tankstellenbesitzer Daniel ließ uns dort ein paar Tage lang stehen, damit wir den Bus für die bevorstehende Verschiffung fertig machen konnten. Alle Kisten raus, Inventurliste machen, den Innenraum von oben bis unten entstauben, Außenwäsche vom Dach bis zum Unterboden, zwischendurch Klamotten waschen lassen und im Café nebenan Pizza bestellen. Daniel war mega hilfreich und stellte den Kontakt zu einem Agenten her, der – wie sich herausstellte – auch für unsere Verschiffung zuständig war. Dieser Direktkontakt war Gold wert, denn von NMT als unseren eigentlichen Vertragspartner bekamen wir in den kommenden Tagen leider viel zu wenig Informationen. Der Agent hingegen lieferte ab und dank seiner Hilfe konnte die Containerbeladung mittels hölzerner Plattform überhaupt durchgeführt werden. Für Unterhaltung auf dem Tankstellenhof sorgte eine solo-reisende Influencer Mom, die ihr Offraod Fahrzeug zur WM nach Qatar verschiffen wollte (warum auch immer) und alle Details ihrer Reise social-media-wirksam auf YouTube und Instagram veröffentlichte. Als wir nach drei Tagen mit der Busputzaktion fertig waren wurde ich mit einer fetten Erkältung krank. Wir hatten am Fahrzeug zum Glück alles soweit vorbereitet und stellten uns wieder an die Hafenpromenade, wo ich mich ein bisschen auskurieren konnte. Irgendwann fing auch Marco an zu kränkeln. Trotzdem gab es noch einiges zu erledigen. Um es mal stichpunktartig abzukürzen: Online-Flugtickets, Flughafenschalter, Hotline-Warteschlange, 50 Dollar Extrakosten, Tierarzt, Rollboxtraining, Landstrom, Parkplatzwächter, Augenentzündung, Augenarzt, Antibiotika, Bank, NMT, Papiere unterschreiben, Kofferkauf, Bus auf die Waage, AQCS, Export Zertifikat, Tierdokumente für die Airline. Zwischendurch probierten wir in der Apotheke an Schnelltests zu kommen, doch die gab es nirgends zu kaufen. Wir bestellten uns irgendwann welche zum Bus und siehe da… die Erkältung entpuppte sich als Corona Infektion (ihr erinnert euch an meinen Krankenhausaufenthalt mit dem hustenden Pfleger). Ein paar Tage schlossen wir uns also noch mit Essen vom Lieferdienst im Bus ein. Dann stand eine neue Woche voller Drama bevor: Die Hotelsuche mit Hund wurde zum Drama, das Loading am Hafen wurde zum Drama und als ob das noch nicht genug war landete Marco auch noch (selbstverschuldet) mit einer Koffein-Überdosis im Krankenhaus. Das war überhaupt nicht lustig, aber eine gewisse Ironie hatte die Szene als uns ein Tuktuk-Fahrer in rasender Geschwindigkeit den Berg hinab zur Klinik fuhr und Marco theatralisch aus dem Tuktuk kotzend in der Notaufnahme mit einer rollenden Liege empfangen wurde. Am Ende wurde alles gut. Marco hat den Krankenhausaufenthalt überlebt. Wir haben Corona überstanden. Unser Bus wurde abenteuerlich, aber erfolgreich auf den Flat Rack Container geladen. In letzter Minuten haben wir am Tag unseres Abfluges die Zolldokumente von NMT zurückbekommen und in allerletzter Minute den Flughafen erreicht, nachdem mehrere Taxifahrer unseren Hund nicht mitnehmen wollten. Ach ja, ein letztes kleines (selbstverschuldetes) Drama ereignete sich noch am Flughafen, weil Marco versehentlich eine Gas-Kartusche dabeihatte, die er vor dem Security Check abgeben wollte. Das sorgte für Zuständigkeitsverwirrungen am Einlass des Flughafens und kostete uns einiges an Wartezeit. Doch den Hund konnten wir glücklicherweise noch rechtzeitig beim Checkin abgeben. Tja, und dann konnten wir es selbst nicht glauben als wir am 12. November 2022 pünktlich im Flugzeug saßen – auf dem geplanten Nachtflug von Mumbai nach Bangkok. Thailand, wir kommen!

Varanasi am heiligen Ganges

Mit mulmigem Gefühl näherten wir uns der Grenze von Nepal nach Indien. Wir waren nicht sicher, ob unsere zweite Einreise problemlos klappen würde, denn auf unserem indischen Visum stand die nepalesische Landgrenze nicht drauf. Außerdem war da noch der Hund. Wir hatten uns zwar bemüht, ein tierärztliches Attest für Struppi zu bekommen, doch weder das Pet Hospital noch die Quarantäne Station in der Grenzstadt konnten mit unserer Anfrage etwas anfangen und so wurden wir ohne Attest weggeschickt. Na gut. Let’s try! Die Ausreise dauerte eine kleine Ewigkeit. Marco wurde irgendwann in ein Wohngebiet geführt, um den zuständigen Zollbeamte zu suchen, aber der Rest klappte reibungslos. Das Immigrationsbüro war gut besucht und glich einem Polizeipausenraum. Auf indischer Seite verlief es ähnlich chaotisch symphatisch. Die Zollabfertigung war diesmal schnell gemacht (niemand wollte den Hund sehen), dafür verbrachten wir etliche Zeit im Immigration Office. Es war mega nett und wir waren hauptsächlich mit Small Talk beschäftigt, denn aufgrund eines Systemabsturzes mussten wir zusammen mit den Beamten warten bis die Computer wieder betriebsbereit waren. Rückfragen gab es nur zu unserer Hoteladresse (wir wollten natürlich im Bus übernachten, aber eine konkrete Adresse anzugeben hatte sich in der Vergangenheit bei Grenzübergängen als nützlich erwiesen) und somit wurde der „fehlende“ Einreiseort auf unserem Visum zum Glück nicht hinterfragt. Es lief also alles glatt und wir durften mit neuem Einreisestempel ins Land. In den folgenden Tagen fuhren wir gefühlt durch eine „Saunalandschaft“. Nicht nur wegen des Wetters, auch die Kleidung der Landsleute veränderte sich und bestand nun zu großen Teilen aus Tüchern, die locker um die Hüfte gebunden oder lässig über die Schultern getragen wurden. Die Region Uttar Pradesh sah an vielen Stellen idyllisch aus. Durch das Busleben wurde uns aber deutlich bewusst, wie unglaublich viele Menschen dort lebten. Es wurde immer schwieriger, einen ruhigen Übernachtungsplatz zu finden. Manchmal suchten wir unsere Stellplätze nach potenziellen Laufrouten aus. Hatte ich erwähnt, dass Marco trotz der Hitze immer noch regelmäßig Laufen ging und dafür teilweise frühmorgens aufstand? Ich bewunderte seine Disziplin. Einer dieser Plätze war echt hübsch an einem Teich mit angrenzendem Friedhof gelegen. Klingt makaber, doch die stupaförmigen Grabsteine waren bunt angemalt und versprühten eine positive und sehr friedliche Stimmung. Ich stand dort beim Abendspaziergang unter Bäumen und blickte auf unendlich weite Felder. Am Horizont sah ich den Mond. Es war so kitschig schön und doch konnte ich nicht den Klangteppich im Hintergrund ausblenden, der von der angrenzenden kleinen Landstraße zu uns herüber schwappte. Automotoren, Mopedgeräusche, ständiges Gehupe und Gepfeife (egal wo du bist, in Indien ist immer irgendwo eine Trillerpfeife zu hören). 

An einem anderen Tag suchten wir spätnachmittags nach einem abgelegenen Wildcamping-Spot und wurden auf einem Feldweg zwischen Reisfeldern fündig. Natur pur. Denkste, nur 20 Minuten später hatte sich das halbe Dorf von nebenan um unseren Bus versammelt. Jeder wollte mal gucken. Verständlich, dort ist ja sonst wahrscheinlich nicht viel los. Als es schon dunkel war, wurden wir aus dem Bett geklopft. Einer der Männer meinte es gut und erklärte mit Händen und Füßen, dass wir besser im Dorf neben dem Hanuman Tempel stehen sollten. Tatsächlich blitzte die Stromleitung neben uns auf beunruhigende Weise, sodass wir seinen Rat befolgten. Am nächsten Morgen (eine laute Glocke weckte uns um 5:30 Uhr) standen die Dorfleute Schlange, um einen Blick in unseren Bus zu werfen. Ich kam gerade mit Struppi vom Morgenspaziergang, da beobachtete ich, wie Marco immer zwei Personen auf einmal in den Bus ließ. Danach waren die nächsten dran. Herrlich, wie locker Marco mit solchen Situationen umgehen kann. Über einen schnellen Highway erreichten wir die Stadt Varanasi, die als spirituelle Hauptstadt Indiens gilt. Unzählige Menschen pilgern nach Varanasi, um ihre Angehörigen zu bestatten und im heiligen Wasser des Ganges zu baden. Nach alter Tradition werden im Hinduismus die Toten auf öffentlichen Scheiterhaufen verbrannt. Diese Art der Feuerbestattung findet täglich in den Krematorien am Flussufer statt. Der Fluss Ganges hat eine besondere Bedeutung für Hindus: Wer am Fluss stirbt und sich dort bestatten lässt, entkommt dem ewigen Kreislauf des Lebens, Sterbens und Wiedergeborenwerdens. Den Kreislauf (Samsara) zu durchbrechen bedeutet ewige Glückseligkeit zu erreichen. Diese Erlösung wird Moksha genannt. Kein Wunder also, dass am „Mutter Ganga“, dem heiligsten aller Flüsse, jeden Tag fast rund um die Uhr Leichenverbrennungen stattfinden. Die vielen Feuerstellen können auf einem Boot vom Wasser aus beobachtet werden. An den weitläufigen Ufertreppen, den Ghats, werden mehrmals täglich Zeremonien durchgeführt und man sieht viele Hindus ins Wasser steigen, denn im heiligen Ganges zu baden, befreit sie laut ihrem Glauben von allen Sünden. Da waren wir also, in dieser wuseligen Stadt voller Leben und Tod. Es war das erste Mal auf unserer bisherigen Reise, dass wir uns ein Hotelzimmer gegönnt haben. Einen Stellplatz mitten in Varanasi zu finden, wo wir Struppi hätten im Bus allein lassen können, wäre unmöglich gewesen. Dafür war es viel zu heiß und die Stadt viel zu dicht bevölkert, als dass wir mit gutem Gewissen die Fenster hätten einen Spalt auflassen können, um mit unseren beiden Ventilatoren für Durchzug zu sorgen (was sonst immer unsere Taktik war, wenn wir den Hund mal für einen Einkauf oder Restaurantbesuch allein lassen mussten). Drei Nächte lang sind wir im Hotel „Temple on Ganges“ in der Nähe vom Assi Ghat untergekommen. Tatsächlich konnte man vom Rooftop aus den Fluss sehen und das Treiben in den anliegenden Gassen beobachten. Die Brachfläche nebenan wurde als Müllkippe genutzt. Auf dem Dach des Hotels befand sich ein kleiner Rasenabschnitt, auf dem ich notdürftig mit Struppi gassigehen und spielen konnte. Vor den indischen Straßenhunden hatte ich zu dieser Zeit echt Respekt. Wir wurden mehrmals am Tag Zeugen davon, wie die Hundegang im Hof ihr Revier verteidigte und selbst im Hotelzimmer hörten wir oft grausame Heul- und Jaulgeräusche von Artgenossen, die wohl nicht so glimpflich davongekommen sind. Auch wenn wir unser Hotel niemandem weiterempfehlen würden (die Ausführungen dazu erspare ich euch), so waren die Hoteltage wie ein kleiner Urlaub vom Busleben für uns. Purer Luxus, einfach die Zimmertür schließen zu können und Ruhe zu haben. Marco ging zum Laufen in „Bob’s Gym“ und wir aßen häufig in einem Restaurant namens „Roma’s“. Neben diesen Bequemlichkeiten war eines unserer größten Highlights in Varanasi eine Bootstour, die am frühen Abend vom Dashashvamedh Ghat aus startete. Schon die Tuktuk-Fahrt zum Ghat war ein Erlebnis. Das Boot teilten wir hauptsächlich mit indischen Gruppen und Familien. Alle trugen Schwimmwesten. Nach der Fahrt auf dem Ganges blieben wir noch einige Zeit sitzen, um uns die Zeremonie vom Wasser aus anzugucken. Plötzlich breitete sich eine ganz besondere Stimmung aus, denn trotz der Menschenmassen trat auf einmal eine Ruhe ein, die ich so in Indien noch nie erlebt hatte. Alle Leute um uns herum wurden ganz still und verfolgten die Zeremonie oder waren mit sich selbst und ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Eine Frau zerpflückte Blumengirlanden am Uferrand. Meditativ ließ sie Blütenblatt für Blütenblatt ins Wasser gleiten. Ein Moment der Stille, des Innehaltens, des Loslassens.

An unserem letzten Abend in Varanasi besuchten wir ein Fort, spazierten nach Sonnenuntergang rüber zur Feuerzeremonie am Assi Ghat und zogen danach weiter auf ein Straßenfest in Lanka. Dort aßen wir Streetfood und drängten uns durch die Menge auf einen der Schauplätze, wo in dieser Nacht riesige Figuren verbrannt werden sollten. Das Feuer warteten wir allerdings nicht ab, denn einen besonders sicheren Eindruck machte dieses feierliche Vorhaben nicht auf uns. Stattdessen freuten wir uns über die Straßenumzüge und Festwägen, auf denen gutgelaunte Menschen tanzten. Eine wirklich lustige Stimmung war das. Tja, und dann passierte noch etwas an diesem Wochenende. Während meiner Recherche nach alternativen Reiserouten (wir wollten ja auf meinen Wunsch hin die Verschiffung nach Südostasien noch einmal überdenken), musste ich leider feststellen, dass die Arabische Halbinsel mit Hund nichts wird. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman wären schon schwierig geworden, aber Saudi Arabien verweigert beim Touristen-Visum die Einreise mit Haustier komplett. So sehr wir unseren Hund lieben, auf einer Weltreise stößt man mit Vierbeiner so manches Mal auf Grenzen, die es ohne Tier nicht gegeben hätte. Als wir Struppi in Armenien adoptiert haben, bin ich auf Social Media Kanälen einigen Reisenden gefolgt, die mit Hund unterwegs waren. In Europa überhaupt kein Problem. Dass uns die Mitnahme eines Haustiers in anderen Teilen der Welt an der Weiterreise hindern würde, hätte ich überhaupt nicht gedacht. Und dennoch bin ich sehr glücklich darüber, dass wir diese kleine Hündin mit im Gepäck haben!

Struppi hatte sich bereits prima an ihre Flugbox gewöhnt. Das wichtigste ist, dem Hund in ganz kleinen Schritten die Kiste „schmackhaft“ zu machen, um sie als Rückzugsort positiv zu besetzen. Seit Nepal stellten wir die Box (zunächst ohne Gittertür) während der Fahrt zwischen Fahrer- und Beifahrersitz, so hatte Struppi ihren neuen gepolsterten Fahrplatz (und uns dabei noch im Blick). Wenn wir dann einen Übernachtungsort gefunden haben, gingen Struppi und ich oft einem gemeinsamen Hobby nach: Straßenhunde und andere Tiere beobachten (auf dem Foto jagt ein Hunderudel einem frechen Affen hinterher)! Auf dem Weg nach Agra machten wir einen dreitägigen Halt in Lucknow. Die Hauptstadt des Bundesstaates Uttar Pradesh gefiel uns auf Anhieb. Irgendwie haben wir es mit größeren Städten, wenngleich die Gegend drumherum auch Brandenburg hätte sein können (oder vielleicht gefiel es uns genau deshalb so gut dort). Wäschewaschen, Wasserauffüllen, Laufengehen und ein bisschen Sightseeing (z.B. die Begum Kothi Moschee und das Stadttor Rumi Darwaza). Am letzten Tag stand unser Übernachtungsparkplatz nach einem Dauerregen komplett unter Wasser. Ein Zeichen, dass es für uns weitergehen sollte. Also: Auf nach Agra!

Es war Mitte Oktober 2022 und das Thema Rückreise wurde immer präsenter, schließlich sollte unser Indien-Visum in gut einem Monat ablaufen. Da unser Plan B (die Arabische Halbinsel) mit Hund nicht möglich war, brauchten wir einen Plan C als Alternative zur Verschiffung. Wir gingen nochmal alle Himmelsrichtungen durch: China (Norden) war immer noch geschlossen (seit Beginn der Corona Pandemie, d.h. bereits 3 Jahre lang). Die Grenzen zu Myanmar (Osten) waren ebenfalls dicht und das würde auch bis auf Weiteres so bleiben. Somit war es zum Zeitpunkt unserer Weltreise ein Ding der Unmöglichkeit über den Landweg nach Südostasien zu kommen (was ursprünglich mal unser Ziel gewesen ist). Nach Sri Lanka (Süden) wollten wir nicht, dort herrschten zu der Zeit schwierige Umstände und das tropische Klima lockte uns auch nicht gerade dorthin. Außerdem hätte es meinen damaligen Wunsch, eine Verschiffung zu umgehen, nicht gelöst – sondern die Rückreise bloß nach hinten verschoben (und dafür hatten wir keine Geduld mehr, weshalb auch eine zweite Einreise nach Nepal nicht mehr wirklich in Frage kam). Blieb auf dem Landweg also „nur“ noch die Heimfahrt Richtung Westen. Und wisst ihr was? Dieser Gedanke hat sich auf einmal richtig gut angefühlt. Einmal schnell Pakistan durchqueren, noch einmal ganz bewusst Iran genießen und unsere iranischen Freunde wiedersehen, in der Region Kurdistan im Norden von Irak ein neues Reiseland entdecken und schließlich im Süden der Türkei klettern gehen. Wir sind immer davon ausgegangen, dass es langweilig wäre „einfach umzudrehen“. Aber als wir die Entscheidung getroffen hatten, bekamen wir richtig Lust darauf, einige dieser Länder ein zweites Mal (und damit irgendwie neu) kennenzulernen. Tja, und dann folgten wir – fassungslos und traurig – den Nachrichten. Der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 hatte eine Protestwelle gegen die autoritäre Regierung des Staates ausgelöst. Sie wurde von der islamischen Sittenpolizei festgenommen, weil angeblich ihr Kopftuch nicht richtig saß. Nach ihrer Festnahme wurde sie misshandelt und durch Polizeigewalt getötet. Im Oktober 2022 wurden die landesweiten Proteste immer heftiger und es kam zu zahlreichen Verhaftungen sowohl von Einheimischen als auch von Reisenden. Auch wenn wir den Menschen im Iran gerne beigestanden und am liebsten selbst mit auf die Straße gegangen wären, war uns die Rückreise durch Iran vor diesem Hintergrund zu risikoreich. Das bedeutete, wir kamen über den Landweg nicht mehr nach Hause und somit um eine Verschiffung nicht herum. Mit dieser Erkenntnis erreichten wir Agra, die Stadt mit dem Taj Mahal, der zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten von Indien zählt. Doch bevor es auf große Sightseeing-Tour gehen sollte, verbrachten wir einige Tage in einer ruhigen Gegend der Stadt (wo nur wenige Menschen, dafür umso mehr Affen vorbeikamen), schauten uns „zum Aufwärmen“ das Itmad-ud-Daula-Mausoleum an und bewunderten den Taj Mahal zunächst aus der Ferne von einem View Point aus. 

Unbelievable – is not it?

Nach den vielen Passfahrten auf ungemütlichen Schotterstraßen kam uns unser bisher höchster Pass, der Taglangla mit 5.300 Höhenmetern („You are passing through twelfth highest pass of the world – Unbelievable is not it?“), fast wie eine Spazierfahrt vor, denn der größte Streckenabschnitt zwischen Leh und Manali ist gut asphaltiert. Um dann doch noch ein kleines Abenteuer draus zu machen (und weil die Sonne bald unterging) haben wir uns entschieden auf der Passhöhe zu übernachten. Was soll ich sagen, die Nacht war ziemlich mies, denn so richtig gut Luft bekommt man in der Höhe dann doch nicht. Immerhin hat unsere Heizung den Höhentest bestanden, wir mussten also nicht frieren. 

Am nächsten Tag fuhren wir auf ein erträglicheres Level hinab und machten einen Übernachtungshalt in dem kleinen Örtchen Sarchu, wo wir uns Paratha und Dal schmecken ließen. Der Morgenlauf von Marco fand dort auf seiner bisher höchsten Laufhöhe mit 4.200 Metern statt. Kein Problem für ihn, sein Training in Leh (wo wir uns wochenlang auf 3.500 Höhenmetern befanden) hatte bereits Früchte getragen.

Ein weiterer Fahrtag über unseren vorerst letzten Pass (4.900 Höhenmeter) brachte uns zurück in die Region Himachal Pradesh, wo wir zunächst in Keylong übernachteten und schließlich in der Touristen-Stadt Manali ankamen. Wir standen mitten in der Altstadt (auf dem sehr teuren Parkplatz vom Moustache-Hostel) und futterten uns abends und morgens durch das kulinarische Angebot. Nach den vielen Wochen (nein, Monaten!) in entlegenen Bergregionen hatten wir einiges aufzuholen und gönnten uns Cocktails und Co. Dann ging es auch schon weiter Richtung Delhi und zwei oder drei Fahrtage später, in denen uns auf den Straßen immer wieder Festumzüge begegneten, erreichten wir die Hauptstadt Indiens. Das Wetter wurde wieder heiß und schwül und wir vermissten bereits die kühlen Berge. Doch an Siesta war nicht zu denken, denn trotz der Temperaturen mussten wir ein paar organisatorische Dinge erledigen, die für unsere Weiterreise unumgänglich waren: Struppis Impfungen mussten aufgefrischt werden und wir kauften die Flugbox, an die unser Hund in den kommenden Wochen gewöhnt werden sollte. In einer Wohnsiedlung in Gurugram, am Stadtrand von Delhi, ließen wir uns fußläufig zur Tierpraxis ein paar Tage nieder und lernten in dieser Zeit viele nette Nachbarn kennen. Darunter auch Joe und seine zauberhafte Frau, die mit ihren Hunden vorbeispazierten und mit denen wir in ein längeres Gespräch kamen. Die beiden luden uns für den nächsten Tag zu sich nach Hause ein und es wurde ein richtig schönes Treffen voller gastfreundlicher Gesten, an das wir sehr gern zurückdenken. Dann stand auch schon der Kurzaufenthalt in einem neuen Reiseland bevor und wir fuhren ostwärts. 

Der Wendepunkt unserer Reise

Manchmal muss man etwas wagen, um ans Ziel zu kommen. Das war unser Motto als wir das Zanskar Tal in Nordindien verließen und eine Schotterstraße erreichten, die uns über die beiden Gebirgspässe Singe La (knapp 5.000 Höhenmeter) und Sirsir La (ca. 4.800 Höhenmeter) nach Lamayuru bringen sollte. Diese Straße war in früherer Zeit nur ein Wanderweg, wurde inzwischen jedoch so weit ausgebaut, dass sie kurz vor unserer Fahrt als durchgängige Bergstraße für den motorisierten Verkehr passierbar geworden ist. Nun ist „passierbar“ ein sehr dehnbarer Begriff und wir konnten uns nicht sicher sein, ob unser Bus diese Route meistern würde. Aber einen Versuch war es Wert! Im schlimmsten Fall müssten wir umdrehen und die Strecke über Kargil zurückfahren, von der wir gekommen sind. Das heißt, drei bis fünf Tage mehr Fahrzeit einplanen. Ein kalkulierbares Risiko. Na gut, den Spritverbrauch konnten wir auch noch nicht ganz vorhersehen. Unterwegs wären wir komplett abgeschnitten und eine Tankstelle würde es im Gebirge nicht geben. Außerdem müsste das Wetter mitspielen, denn in den Bergen ist es schnell mal wechselhaft und starker Regen kann zu Erdrutschen führen, die zu einer echten Gefahr werden könnten. Das alles im Hinterkopf machte die Fahrt dann doch zu einem aufregenden Unterfangen. Aber schon mal vorab: Es ist (fast) alles gut gegangen! Besonders das erste Drittel der Strecke ist dann allerdings doch ganz schön gruselig gewesen. Auf der rechten Seite überhängende Felsen, auf der linken Seite eine tiefe Schlucht und die Schotterstraße war gerade mal breit genug für ein Fahrzeug.

Rückblickend betrachtet war es eine steile Passage noch vor (!) den beiden fünftausender Pässen, die unseren Motor beinahe ans Limit brachte. Aber eben nur beinahe. Im sogenannten „Kriechgang“ bewältigten wir den steilen Straßenteil langsam – aber unaufhaltsam! Die Fahrt über den Singe La war dagegen schon fast ein Klacks und wir fassten beim Frühstück mit anschließender Meditation auf der Passhöhe neuen Mut, dass sicherlich auch der zweite Pass so gut befahrbar sein würde. Die atemberaubende Gebirgsstraße führte uns in das süße Örtchen Photoskar, wo wir durch grüne Wiese spazierten und die Nacht verbrachten. 

Auch die Passhöhe vom Sirsir La erreichten wir am nächsten Tag problemlos, wie es zunächst schien. Jedoch fiel uns kurze Zeit später – noch mitten im Gebirge – ein fieses Geräusch in der Bremstrommel auf. Nach einer ersten Inspektion durch Marco entschieden wir uns aber, mit dem Auseinanderbauen zu warten bis wir wieder zurück in der Zivilisation sein würden und fuhren vorsichtig weiter. Die steinige Landschaft war wunderschön und so vielseitig. Bald tauchten wir in eine Schlucht aus pastellfarbenen Steinen ein, machten einen erfrischenden Zwischenstop bei einer Hot Spring Shower und erreichten schließlich den malerischen Ort Lamayuru, wo wir uns für zwei Nächte niederließen und von der aufregenden Fahrt erholten. 

Dann ging es weiter nach Leh. Dort nahm Marco im Werkstattviertel die Bremse auseinander, denn falls wir Hilfe benötigten, wären wir dort schon mal an der richtigen Adresse. Wir dachten bis zu dem Zeitpunkt, dass während der Passfahrt ein kleines Steinchen in die Bremstrommel geraten ist und die Geräusche verursacht hat. Es stellte sich jedoch heraus, dass eine Feder gerissen war, die lose herumflog und tiefe Schlieren in die Trommel gekratzt hatte (oder um es in Marcos Worten zu sagen: „Furchen in der Größe des Himalayas!“). Nachgebaut werden konnte die Feder im Werkstattviertel leider nicht und da wir uns mit Leh bereits in der Hauptstadt der Region Ladakh befanden, blieb nach einiger Recherche keine andere Lösung übrig als die Nachbestellung des Ersatzteils aus Deutschland. Wir machten uns also auf etwas Wartezeit gefasst und stellten unseren Bus im Hof vom Goba Guesthouse ab. Um die nachfolgende Geschichte ein wenig abzukürzen: Wir wissen jetzt, dass der Versand eines UPS-Expresspaketes von Deutschland nach Indien ganze 4 Wochen dauert – davon steckte das Päckchen sage und schreibe 3 Wochen beim Zoll in Indien fest! 

Von August bis September 2022 war das Goba Guesthouse (bzw. der Stellplatz im Hof des Gasthauses) aufgrund der langen Paketwartezeit einen ganzen Monat lang unser Zuhause. Und um ehrlich zu sein habe ich diesen Stillstand wirklich sehr genossen, wenn nicht sogar dringend benötigt. Ich will jetzt gar nicht so viel über unseren Nicht-Reise-Alltag in Leh schreiben. Erwähnenswert ist vielleicht, dass dort die Podcast-Folgen („Auf Weltreise mit dem Bus“ Teil 2 und Teil 3) vom Podcast „Jessi’s Heldenreise“ entstanden sind, die ich unten im Artikel verlinkt habe. Im dritten Teil sprechen Jessi und ich über den Alltag, der auch beim Reisen einkehrt. Thematisch also ziemlich passend. Außerdem fuhr eines Tages der Dalai Lama auf dem Weg zu einem Termin in Leh gleich zweimal an unserem Gasthaus vorbei. Mit Blumenschmuck und weißen Tüchern warteten wir am Straßenrand zusammen mit der ganzen Gasthausfamilie auf sein Erscheinen und ich war erstaunt mit welcher Präsenz uns „his holiness“ – natürlich abgesichert durch Militär und Polizeiautos – aus dem Autofenster zuwinkte und anlächelte. Ein ganz rührender Augenblick. Tja, und dann ist in dieser Zeit noch etwas passiert. Ich habe festgestellt (oder mir vielmehr eingestanden), dass ich die Rückreise antreten will. Mehr als zwei Jahre auf Weltreise unterwegs zu sein ist schon eine verdammt lange Zeit und wir können ja nicht einfach einen Flug zurück nach Deutschland nehmen, sondern müssen den Weg selber fahren. Und das muss logischerweise viele Monate im Voraus geplant werden. Es folgten emotionale und ehrliche Gespräche mit Marco und wir einigten uns schließlich auf eine grobe Rückreisedauer von zwölf Monaten bis anderthalb Jahren (ja, auch das ist eine verdammt lange Zeit, erschien uns jedoch realistisch zu sein). Und damit startete eine neue Ära der Reiseplanung. Wir skizzierten Reiseoptionen, wägten Land- und Seewege ab, schrieben Verschiffungsfirmen an und recherchierten Einreisebedingungen für Mensch und Hund. Wir planten Zugreisen, organisierten für Struppi eine Transportbox und schlugen uns mit Quarantäne-Regelungen zur Einfuhr von Haustieren herum. Es gab plötzlich so viel zu tun und zu recherchieren und zu entscheiden, da vergingen die 4 Wochen Expresspaket-Wartezeit dann doch wie im Flug. Nach erfolgreichem Einbau des Ersatzteils verließen wir Anfang September 2022 die Stadt Leh und befinden uns seitdem – bewusst und voller Vorfreude – auf einer ziemlich langen Rückreise!

Hier noch einmal der Link zu den Podcast-Folgen „Auf Weltreise mit dem Bus“:

Teil 2 – Gastfreundschaft und Einladungen

Teil 3 – Auch Reisende sind nur Menschen

Julley, Zanskar!

Ende Juli 2022 kamen wir in der wahrscheinlich abgelegensten Gegend in ganz Indien an: Im Zanskar Tal in der Region Ladakh. Das Tal war bis zuletzt nur über eine schlecht befahrbare Straße von Kargil aus zu erreichen (über diese Straße sind wir auch hingefahren). Das wird sich bald ändern, denn in Zukunft sollen drei Highways nach Zanskar führen und den Tourismus ordentlich ankurbeln. Das könnte Fluch und Segen zugleich sein. Wir waren jedenfalls überglücklich, dass wir die Chance bekamen, das Zanskar Tal noch in seiner sehr ursprünglichen Form erleben zu dürfen. Wir ließen uns zunächst in Padum, dem größten Ort in der Gegend, neben einer eingezäunten Wiese gefüllt mit Gasflaschen nieder. Unser Kochgas musste mal wieder aufgefüllt werden, was am nächsten Morgen ein netter Mönch für uns erledigte. Gegenüber von diesem Platz war eine Kneipe, die Bierdosen verkaufte. In den vergangenen Wochen ein seltenes Gut für uns, daher stießen wir ausnahmsweise bereits am Nachmittag mit Frieda und Sebastian auf die erfolgreiche Fahrt nach Zanskar an. Auf Internet konnten wir uns in der gesamten Bergregion nicht verlassen und so trennten wir uns vom Malteser und erkundeten die Gegend vorerst auf eigene Faust. Das erste Kloster, das wir besichtigten, war die Stongdae Gompa mit einem herrlichen Blick ins Tal. Zum Essen und für kleinere Erledigungen fuhren wir immer wieder nach Padum. Es gab dort etliche Restaurants, die eine fantastische Tibetische Küche anboten. Zu unseren Lieblingsspeisen wurden: Momos, Thukpa, Thenthuk und Yak Käse.

In Padum lernten wir ein deutsches Paar kennen, mit dem wir uns abends zum Essen verabredeten. Die beiden kamen nun schon seit 18 Jahren zum Urlaub nach Indien. In Zanskar waren sie zum zweiten Mal und – wie wir – überaus begeistert. Sie schwärmten von der Karsha Gompa, das wichtigste und größte Kloster der Region, prominent am Hang eines Felsens gelegen. Das sollte unser nächstes Ziel sein. Auf der steilen Fahrt hinauf in die hochgelegene Ortschaft sahen wir einige Frauen mit schwer bepackten Weidekörben auf den Schultern. Am Fluss neben dem Dorfplatz, auf dem wir uns hinstellten, wusch ein Mädchen Geschirr. Die Gebetsmühle gegenüber von unserem Stellplatz wurde von einigen Kindern als Spielplatz genutzt und von vielen Erwachsenen mit Ruhe und Bedachtheit im Vorbeigehen gedreht bis die Glocke mehrmals läutete. Als wir am späten Nachmittag die unzähligen Treppenstufen zum Kloster hochstiegen, trafen wir Inge und Holger (das deutsche Paar) wieder und begegneten einigen Mönchen in ihren roten Roben. Ab und zu schwangen Trommelklänge und Gesänge aus benachbarten Gebäuden zu uns herüber. Eine friedliche Stimmung. Beim Hinabsteigen sprachen uns zwei Kindermönche an und zeigten uns die Gemeinschaftsräume in ihrer Behausung. Im Gegenzug war klar, dass die Kinder auf dem Dorfplatz natürlich ebenfalls gern einen Blick in unseren Bus werfen durften.

Nach einer ruhigen Nacht und einem regnerischen Morgen stiegen wir zum Frauenkloster nebenan hoch. Von hier aus hatte man einen tollen Blick auf die am Hang gebauten Häuser. Etliche Stupas zierten die Felslandschaft. Zurück am Bus kam die Sonne wieder raus und wir fuhren zum Pizzaessen nach Padum (von der „Yak Cheese Pizza“ konnten wir nicht genug bekommen). Es waren so wunderbar entspannte Tage. Wir hatten mit dem gemeinsamen Meditieren begonnen und Marco war fleißig dabei, ein Buch über den Buddhismus zu verschlingen (am Ende ist er dann doch nicht konvertiert, aber zwischendurch stand mal kurzzeitig ernsthaft die Frage im Raum, ob er nicht vielleicht Buddhist werden möchte).

Bei der im Tal gelegenen Sani Gompa beobachteten wir an einem Nachmittag ein besonderes Spektakel. Auf dem Gründstück nebenan fand eine Feierlichkeit statt. Es wurde Essen verteilt und viele Menschen saßen auf Teppichen und Polstern in kleinen Gruppen verteilt im Hof auf dem Boden. Immer wieder liefen Leute – teilweise äußerst festlich gekleidet – im Uhrzeigersinn um die Gompa herum und an unserem daneben parkenden Bus vorbei. Einer der Gäste hatte wohl zu tief ins Glas geguckt und stolperte ins Gebüsch. Wir brachten ihm ein Glas Wasser und halfen ihm auf die Beine zurück. Als wir die Feier am Abend erneut aus der Ferne beobachteten kam ein Mann auf uns zu und ludt uns auf einen Becher Chang (ein selbstgebrautes Bier aus Gerste) ein. Sein Name war Sam und dank seiner guten Englischkenntnisse erfuhren wir, dass es eine Hochzeit war, die an verschiedenen Orten über mehrere Tage hinweg gefeiert wurde. Hier bei der Sani Gompa richtete die Familie der Braut das Fest aus, wobei diese bereits auf der Feier beim Bräutigam anwesend war. Sam stellte uns der Gastgeberfamilie vor und gab uns eine persönliche Hausführung. Wir bekamen eine Flasche Arak (selbstgebrannten Schnaps) in die Hand gedrückt, besichtigten den Brennkeller, das Wohnzimmer, den Gebetsraum sowie ein separates Zimmer, zu dem nur Mönche und exklusive Gäste Zugang erhielten – welch eine Ehre für uns! Wir tanzten mit singenden Frauen zu Trommelklängen im Hof und durften zu späterer Stunde die leckere Thukpa Suppe mitessen, die aus Blecheimern mit riesigen Suppenkellen geschöpft wurde. Wir waren unglaublich dankbar, eine tibetische Hochzeitsfeier so nah miterleben zu dürfen und mit Sam einen so wunderbaren Menschen getroffen zu haben, der uns allen vorstellte und uns überall herumführte. Später fuhren wir zusammen noch ein paar Straßen weiter zur Jugendfeier. Auch hier gab es eine Führung durch das traditionelle Haus, in dem unten die Tierställe und oben der Wohnbereich war. Neben dem Gebetsraum, in dem es so viel zu entdecken gab als wäre man in einem Museum, gab es eine Kammer mit getrockneten Kuhfladen zum Heizen für den langen Winter. Im Wohnzimmer tanzten die jungen Leute im Kreis und wir reihten uns fröhlich ein. Als krönenden Abschluss nahm uns Sam schließlich noch zur Hauptveranstaltung mit, die in einem Nachbardorf auf dem Hof von der Familie des Bräutigams stattfand. Dort erblickten wir zum ersten Mal das Brautpaar in ihrem Festzelt, in dem bei unserer Ankunft gerade ein Geschenkerufer den Gästen laut verkündete, wer dem Brautpaar welches Geschenk mitgebracht hatte (darunter waren auch viele Lebensmittelschenkungen wie zum Beispiel Brot oder kiloweise Butter). Die Braut war verschleiert, weil sie an diesem Tag ihre Familie verlassen musste, um ab sofort bei der Familie des Ehemanns zu leben. So eine große Veränderung in dem jungen Alter ist sicherlich eine emotionale Herausforderung. Ich wurde ermutigt, der Braut meine Glückwünsche auszusprechen und so ging ich zu ihr und wünschte ihr alles Gute. Für einen kurzen Moment lüftete sie ihren Schleier und wir blickten uns an. Ich hoffe, dass ich ihr meine guten Wünsche auf eine mitfühlende Art und Weise auf den Weg geben konnte. Anschließend zeigte uns Sam noch den Küchenbereich, der draußen neben dem Haus eingerichtet war. Riesige dampfende Töpfe auf Gaskochern, die einen herrlichen Anblick boten. Prompt wurden uns Roti und ein Buttertee in die Hand gedrückt. Danach durften wir Sam in den Mönchsraum begleiten und fühlten uns erneut äußerst geehrt in den Privilegiertenkreis eingeladen zu sein und mit den Gastgebern sprechen zu dürfen. Einige Männer in dieser Runde trugen schmuckvolle Amulette und rotgefärbte Wollmäntel. Nach einem letzten Becher Chang und ein paar leckeren Snacks aus Nüssen und getrockneten Früchten verabschiedeten wir uns glücklich in die kalte Nacht. Kaum zu glauben, dass die „große Party“ erst am nächsten Abend stattfinden sollte (da die Hochzeitsfeier wie gesagt mehrere Tage andauert), der wir natürlich auch einen Besuch abstatteten und dabei ganz herzlich auf Teppiche gebettet und von mehreren Damen mit Chang abgefüllt wurden, ein leckeres Essen miterlebten und amüsante Gespräche mit der gutgelaunten Jugend führten.

Zwischen den Feierlichkeiten genossen wir die wohltuende Ruhe im Zanskar Tal, besichtigten die Sani Gompa noch von innen, gingen spazieren und machten eine gemeinsame Wiesenmeditation in der Nähe einer riesigen Buddha Statue. Wir sogen die einzigartige Stimmung von „Klein-Tibet“ im indischen Hochgebirge auf und freuten uns in jeder einzelnen Sekunde einfach nur an diesem wundervollen Ort zu sein. Was für ein Geschenk, den tibetischen Buddhismus in diesem ganz besonderen Tal auf unserer Reise kennengelernt und ein kleines Stück miterlebt haben zu dürfen.

Dann läutete Marcos bevorstehende Arbeitswoche unseren Abschied von Zanskar ein. Bei der kaum vorhandenen Internetverbindung in dieser abgelegenen Region war zuverlässige Online Arbeit unmöglich. Wir drehten eine letzte Runde, fuhren dabei ins südliche Tal, um unsere letzte Gompa anzuschauen und besichtigten eine beeindruckende Klosterruine in Zangla, die in den Höhen einer Bergwüste trohnt. Da alle Tankstellen um Umkreis keinen Sprit mehr hatten, mussten wir nach Padum zurückfahren und einen Tag lang auf Diesel warten. Die Zeit nutzten wir, um noch einmal Thenthuk Suppe und gedämpfte Momos zu essen. Dann traten wir vollgetankt und vollgefuttert unsere Fahrt Richtung Leh mit gemischten Gefühlen an. Wird Waldrian die neu entstandene und erst dürftig ausgebaute Bergstraße von Padum nach Lamayuru über zwei fünftausender Pässe schaffen?

Ladakh Love

Immer wenn wir auf der Reise an natürlichen Thermalquellen vorbeikommen, machen wir eine Badepause. Mit dieser Erwartung sind wir zu den Garam Chashma Hot Springs gefahren, die in der Region Ladakh zwischen Kargil und Khangral liegen. Ein warmes Bad haben wir dort leider nicht vorgefunden, nur ein paar lauwarme knöcheltiefe Pfützen. Das Tal hat uns trotzdem sehr gut gefallen und wir sind auf Wandertour gegangen, wobei wir den (kalten!) Fluss ein paar Mal durchqueren mussten. Nicht nur Struppi war am nächsten Tag platt, auch Marco musste nach der Wanderung wochenlang seinen Fuß schonen, da er auf dem Rückweg richtig blöd umgeknickt ist. Glücklicherweise hatten wir noch eine Schiene von seiner alten Fußverletzung im Bus. Dennoch war es ärgerlich, dass wir gerade jetzt in Ladakh – im äußersten Norden Indiens – vorerst auf’s Wandern verzichten mussten. Schließlich ist das dünn besiedelte Hochgebirgsgebiet für die Schönheit seiner entlegenen Berge bekannt. Einen anderen Aspekt dieser Region konnten wir aber auch ohne körperliche Anstrengung voll auskosten: Die tibetisch-buddhistische Kultur, wegen der Ladakh auch gern als „Klein-Tibet“ bezeichnet wird. Von nun an wurden tibetische Gebetsfahnen, Gompas, Stupas und Buddha-Figuren für uns allgegenwärtig.

Passend zu seiner Fußverletzung stand für Marco die erste „ganze Arbeitswoche“ im Monat Juli 2022 an. Da fiel es nicht ganz so schwer die Füße still zu halten. Wir fanden ein kleines Paradies im Nirgendwo mit gutem Internetempfang und einem fließenden Gewässer nebenan. Ein paar Bäumchen und Büsche spendeten uns etwas Privatsphäre. Und damit es nicht zu langweilig im Paradies wurde, verbündeten wir uns mit Frieda und Sebastian, die ebenfalls die Woche zum Arbeiten nutzen wollten. Neben Laptoparbeit und Hundespaziergängen wurden in dieser Woche einige Kuchen gebacken, ein bisschen Yoga praktiziert, viele Flussbäder genommen und abends Lagerfeuer gemacht. Aus einer Laune heraus habe ich Marco den Kopf rasiert (wir haben jedoch festgestellt, dass ein „richtiger“ Haarschnitt ihm besser steht) und meine gute Freundin Jessica hat mich zu ihrem Podcast eingeladen, sodass wir kurzerhand die erste von drei Podcast-Folgen „Auf Weltreise mit dem Bus“ in diesem grünen Wäldchen aufgenommen haben. Hier der Link zum Podcast (Teil 1).

Nach der Arbeitswoche fuhren unsere Freunde zurück nach Kargil, während Marco und ich einen Umweg über die Ortschaft Dah nahmen. Auf dieser Strecke lag auch der Gebirgspass „Hambuting La“. Dann folgte ein Erledigungstag in Kargil – nochmal alle Vorräte aufstocken – , bevor wir uns auf die ungewisse Reise in Richtung Zanskar aufmachen wollten. Deshalb ungewiss, weil wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, ob die extrem abseits gelegene Region Zanskar eine Sackgasse für uns sein würde. Von Kargil aus führte nur eine unbefestigte Bergstraße ins 230km entfernte Zanskar Tal, für uns ein mehrtägiger Trip. Unser erster Tagesabschnitt wurde durch eine Straßenblockade unterbrochen. Etliche Dorffrauen protestierten, weil ihre Männer aufgrund einer Überflutung von der Ortschaft abgeschnitten waren. Ein Helikopter wurde gefordert, so haben wir es zumindest verstanden. Eine Stunde später war Hilfe unterwegs und die Absperrung wurde weggeräumt. Wir hatten wieder freie Fahrt und holperten fröhlich weiter über die Huckelpiste.

Nach einem sehr langen Fahrtag, der am Ende immer unbequemer wurde, trafen wir am nächsten Morgen inmitten einer traumhaften Bergkulisse unsere Freunde wieder. Ich wünschte mir den Rest des Tages eine Fahrpause und so wurde es ein ruhiger Nachmittag im Beisein einiger Kühe, Pferde und Murmeltiere (die bei Alarmbereitschaft ein trillerndes Geräusch von sich geben, das sich wie eine Pfeife anhört). Das schöne Wetter wurde allmählich wechselhaft. Den folgenden Fahrtag teilten wir in mehrere Streckenabschnitte und weil Frieda Geburtstag hatte gab es bei jeder Pause gefühlt auch gleichzeitig eine Kuchenpause. So kriegt man die Fahrzeit auch rum. Dass wir mehr oder weniger zufällig an unserem ersten buddhistischen Kloster vorbeikamen, wurde zu einem besonderen gemeinsamen Geburtstagsausflug.

Bei dem Kloster handelte es sich um die Rangdum Gompa. Ein Bauwerk aus Lehm und Stroh, das laut Wikipedia „auf einem Solitärfelsen in 4030 m Höhe inmitten der Rangdum-Hochebene thront“. Ja, das sah mindestens so herrschaftlich aus, wie es sich anhört! Noch spektakulärer war die Klosterbesichtigung jedoch von innen. Einer der Mönche öffnete uns die Pforte, ließ uns mit Engelsgeduld alles begutachten und wir durften sogar Fotos machen. Figuren, Malereien, Tücher, Holzschnitte – und alles so wunderbar farbig! Ein wirklich beeindruckender Ort und eine beeindruckende Landschaft drumherum. Wahnsinn! Wird uns das auch in Zanskar erwarten?

UPDATE: Hier noch drei Lieblingsbilder geschossen von unserer Reisefreundin Frieda (@Friedamaelle).

Wandern in Kashmir

Der Juli 2022 begann mit einer Änderung, die sich positiv auf unseren Reisealltag auswirkte. Statt an zwei Tagen pro Woche arbeitete Marco ab sofort nämlich nur noch eine Woche pro Monat (also in der Regel fünf Tage am Stück). Seitdem genießen wir die Freiheit, nicht mehr im Wochentakt einen guten Arbeitsplatz finden zu müssen, denn das gestaltete sich spätestens seit Pakistan immer schwieriger für uns. Besonders in den Bergregionen gab es keine verlässliche oder häufig gar keine Internetverbindung. Dabei verbringen wir doch so gern Zeit in den Bergen, wie hier z.B. beim Wandern mit unseren Freunden im Himalaya-Gebirge (Fotos: @friedamaelle @sebastian_schubbe).

In Kashmir zwischen Gagandir und Sonamarg sind diese tollen Bilder entstanden. Wir trafen uns abends zum Pizzabacken am Lagerfeuer. Der Fluss neben unserem Stellplatz war so laut, dass man sein eigenes Wort kaum verstand. Und am nächsten Morgen regnete es so stark, dass der Malteser umparken musste, weil plötzlich der Weg unter Wasser stand. Als gegen Mittag die Sonne rauskam, motivierte ich die anderen zu einem Spaziergang (das trockene Wetter wollte schließlich genutzt werden), aus dem spontan eine richtig schöne Halbtageswanderung wurde (Fotos: @friedamaelle @sebastian_schubbe). 

Wie immer haben auch Marco und ich ein paar Schnappschüsse gemacht. Ach ja, und Struppi hat ihre Aufgabe im Aufspüren von Knochenresten gefunden. Abends kochte Marco für uns Schweizer Älplermagronen und wir machten es uns zu Viert bei einem Filmabend in Waldrian gemütlich. Was für ein schöner Tag!

Weiter ging es nach Sonamarg, wo wir uns auf einem Busparkplatz niederließen. Morgens startete der Tag wie so häufig in Indien mit trällernder Musik vom Band. Unterwegs entdeckten wir einen kleinen Park, der eine lustig wirkende Vergnügungsaktivität anbot: Schwimmen in aufblasbaren Wasserrollen. Okay, es war nicht ganz so spektakulär, wie es aussieht. Aber wenigstens für ein paar Minuten hatten wir jede Menge Spaß! 

Dann wollten wir zur hinduistischen Pilgerstätte Amarnath fahren, verpassten jedoch die Einfahrt vom Camp und wollten uns das Ganze daraufhin erstmal von oben angucken. Am Ende des Tages strandeten wir ein paar Kilometer weiter oben auf der Bergstraße in einer Parkbucht und hatten einen fantastischen Blick auf die Berge und die Pilgerstätte (Fotos: @friedamaelle @sebastian_schubbe). 

Wir machten bereits Pläne, am nächsten Morgen zusammen den Pilgerweg zu Shivas Höhle mit der Eissäule anzutreten. Doch dann stießen wir auf die traurige Nachricht, dass Sturm und Regenfälle am Tag zuvor das Tal überflutet haben und dabei mehrere Menschen ums Leben gekommen sind. Vor diesem erschütternden Hintergrund verwarfen wir unsere Pläne sofort und fuhren am nächsten Tag auf der Pass-Straße weiter Richtung Ladakh.

Überraschendes Indien

Man merkt, dass die Reise an Fahrt aufgenommen hat, wenn man mit seinen Blogartikeln ganze sechs Monate im Verzug ist. Leute, wie die Zeit vergeht! In der Zwischenzeit ist so viel passiert und wir sind nicht nur ein knappes halbes Jahr durch halb Indien gereist (und Indien ist riesig), wir sind auch durch Nepal im Schnelldurchlauf gefahren, haben unsere ersten Erfahrungen mit Verschiffungsfirmen in Mumbai gemacht, sind mit Hund und Kegel nach Thailand geflogen, haben unser rollendes Zuhause auf einem Schiffscontainer den Seeweg antreten lassen während wir mit Rucksack, Koffer und Transportbox bepackt erstmals auf dieser Reise das Hotel-Leben kennenlernten (mit der Einschränkung nur in hundefreundlichen Unterkünften einkehren zu dürfen). Und jetzt sitzen (bzw. liegen) Struppi und ich zu zweit in einem Hotelzimmer in Hat Yai im Süden Thailands während Marco sich allein in ein Flugzeug nach Malaysia gesetzt hat, um unseren Bus vom Hafen in Kuala Lumpur abzuholen. Klingt kompliziert? Um die gesamte Geschichte niederzuschreiben, werde ich hoffentlich keine weiteren sechs Monate benötigen. Aber spulen wir doch zunächst einmal ein halbes Jahr zurück… *KASSETTENSPULGERÄUSCH*

Der Grenzübergang von Pakistan nach Indien war Ende Mai 2022 für uns der wahrscheinlich beeindruckendste Grenzübertritt unserer bisherigen Reise. Ja, diese Pforte (siehe Fotos) wurde extra für uns geöffnet und ja, wir sind durch das leere Stadion von der Attari-Wagha-Border gefahren, in dem täglich zur Schließung eine legendäre Grenzzeremonie zwischen den pakistanischen und indischen Militärkräften stattfindet. Auf der Suche nach einer SIM-Karte in Amritsar wurden wir vom Getümmel der Straßen förmlich aufgesogen, haben uns über bunte Kleidung und motorradfahrende Frauen gefreut und das Gefühl, abends in unserem Guesthouse mit einem Bier in der Hand in den Pool zu tauchen, war einfach nur unbeschreiblich. Dankbarkeit pur! Natürlich haben wir uns am nächsten Tag nicht nur den goldenen Tempel in Amritsar angeschaut, sondern uns auch die besagte Grenzzeremonie nicht entgehen lassen. Struppi hat auf dem Grundstück vom Guesthouse neue hündische Freunde gefunden und damit war unser Start in Indien einfach perfekt!

Bei der Fahrt durch die Region Punjab haben wir in der Ferne einen malerischen See gesichtet und uns spontan entschieden: Da müssen wir hin! Der Ort nannte sich „Mini Goa“. Ob das ein zutreffender Name ist, können wir rückblickend nicht beurteilen, da wir es nie nach Goa geschafft haben. Aber eines können wir sagen: Es war dort traumhaft schön! Nach einem erfrischenden Badegang wurden wir am Nachmittag von einer Männergruppe auf ein (oder zwei, oder drei) Gläschen Whiskey eingeladen und bekamen am Abend in unserem Bus noch Besuch von einer netten Familie. Wir fühlten uns äußerst willkommen! Das ruhige Beobachten von Wasserbüffeln wurde zu Struppis neuer Lieblingsbeschäftigung. Die ersten Affen, die sie bei unserer Weiterfahrt in die Region Himachal Pradesh durch die Frontscheibe erblickt hat, haben unsere Junghündin frühmorgens in Dalhousie allerdings so erschreckt, dass sie vor Aufregung in den Bus gepullert hat. Hoppla! Marcos Arbeitstage verbrachten wir an einem Tümpel (dem sogenannten Khajjiar Lake), der irgendwann mal zu einer Haupttouristenattraktion geworden ist. Vermutlich weil die Lage in der Höhe etwas Abkühlung von den sommerlich heißen Temperaturen versprach. War nett dort und es kühlte abends auch tatsächlich sehr angenehm ab. Ein weiterer Vorteil waren die vielen vegetarischen Restaurants dort. Wir lieben das indische Essen!

Mit unserem Reisefreund Sebastian (diesmal ohne Frieda, weil sie für diverse Fotografie-Jobs in Deutschland war) trafen wir uns erneut auf ein langes Wochenende in „Mini Goa“. Danach ging es für uns nach Dharamshala, wo diesmal ein klarer Fluss für unsere Erfrischung sorgte und wir uns für ein paar Tage niederließen. Ich hatte vorab ziemlich schlimme Erwartungen von Indien gehabt, aber irgendwie wollten sich diese Vorurteile nicht bestätigen und fast jeder Ort entpuppte sich in dieser Anfangszeit als kleine Wohlfühloase. So auch das kleine Dörfchen Dharamkot oberhalb von McLeodGanj (der Sommerresidenz des Dalai Lama), in das wir bei einem Regenschauer mit Stau und die letzten Kilometer nur über eine extrem schmale Straße (für mich als Fahrerin war das Zentimeterarbeit mit Waldrian) gekommen sind, was wir wahrscheinlich nur deshalb auf uns genommen haben, weil uns zum einen das Klima auf 2.000 Metern gelockt hat und weil wir zum anderen mit Marcos Bruder Joshua und seiner Freundin Charly verabredet waren. Das erste Mal Familienbesuch auf der Reise, das war definitiv jeden Höhenmeter wert! Die Zeit mit den beiden war großartig und der Ort war einfach so wunderbar entspannt, dass wir eine ganze Woche dort blieben.

Dann sollte es noch weiter in den Norden gehen. Schließlich war es unser Ziel, vor dem Monsun zu fliehen, der sich durch den einen oder anderen heftigen Regenschauer bereits ankündigte. Wir fuhren durch dschungelartige Wälder, reparierten notdürftig unseren Auspuff, besichtigten einen Steintempel und hatten dabei eine nette Zufallsbegegnung mit einem Inder, den wir in Dharamshala kennengelernt haben. Für die Region Jammu & Kashmir benötigten wir schon wieder eine neue SIM-Karte. Über die App „iOverlander“ verabredeten wir uns mit Naveen, einem wundervollen und hilfsbereiten Menschen, der Overlander für einen Zwischenstop gerne auf sein Grundstück einlädt. Wir hatten keine großen Erwartungen und wurden von der Gastfreundschaft der Familie völlig überrascht. Alle waren super nett, wir wurden mit Getränken und Essen versorgt und uns wurde sogar ein eigenes Zimmer mit Bad und Klimaanlage bereitgestellt. Witzigerweise war Marco zu dem Zeitpunkt davon überzeugt, dass wir unbedingt in unserem eigenen Bus schlafen müssen, damit die Klimaanlage uns nicht die Akklimatisierung versaut. Wie blöd von uns, denn es war eine sehr heiße Nacht, hahaha! 

Es folgten zwei Fahrtage auf vielbefahrenen LKW-Straßen bis wir schließlich in Srinagar ankamen. In der Stadt am Dal See kamen wir nicht drumherum von diversen Hausbootbesitzern angesprochen zu werden, die ihre schwimmenden Hütten vermieten wollten. Unsere erste Anlaufstelle – ein dreckiger und teurer Bezahlparkplatz an der lauten Touristenmeile – schreckte uns zunächst ab. Doch dann kam es zu einem Glückstreffer: Das Swiss Hotel (wiederum als Eintrag in der iOverlander-App zu finden) hatte einen Platz für unser Fahrzeug. Auch hier waren wir die ersten Overlander nach Jahren der pandemiebedingten Grenzschließung. Das nette Hotel-Team ludt uns nicht nur zum Tee ein, wir durften auch in unserem Bus bleiben, solange wir wollten und den tollen Garten, den Gemeinschaftsraum und die Toilette nutzen. Einfach nur wow! Da kamen die Arbeitstage von Marco gerade recht. Da das Hotel leider kein eigenes Restaurant hatte (sonst hätten wir dort natürlich gern unser Geld gelassen) gingen wir in der Stadt essen und revanchierten uns beim Hotelbesitzer mit einem typisch deutschen Kochabend. Es gab ein klassisches Rezept von meiner Mama: Kartoffelbrei mit Blumenkohl in Weißer Soße. Lecker!

Gegen Ende unserer Woche in Srinagar stießen auch unsere Reisefreunde Sebastian und (die aus Deutschland zurückgekehrte) Frieda wieder zu uns. Wir nutzten die Gelegenheit für eine gemeinsame Bootstour auf dem Dal See. Als kleine Gruppe macht sowas doch gleich viel mehr Spaß. Es war mittlerweile Anfang Juli 2022. Die Platzsuche außerhalb von Srinagar führte uns zu einem Fischersteg, wo wir unsere beiden Düdos „Schnauze an Schnauze“ parkten. Dort kamen wir mit einem Restaurantbesitzer ins Gespräch, der uns alle Vier zum Essen in sein Restaurant einludt (das Dinner war übrigens fantastisch). Und schon wieder so viel Gastfreundschaft, da fehlen mir die Worte! Indien, du überraschst mich wieder und wieder!