Mother Armenia und Hundepapa

Auf dem Weg nach Areni überraschte uns Armenien wieder einmal mit einer atemberaubenden Berglandschaft. Ein bisschen wehmütig gingen wir dort eine Runde mit Struppi, denn so sehr wir unser Hündchen auch lieben, mit einigen Einschränkungen müssen wir ab sofort leben – zum Beispiel, dass wir mit einem Welpen und Junghund noch gar keine großen Wanderungen machen können. 5 Minuten pro Lebensmonat, so lautet eine Faustregel für die Dauer von Spaziergängen, bis der Hund ausgewachsen ist. Der Spaziergang war natürlich trotzdem schön und abends belohnten wir unsere Hundegeduld mit einem Wine Tasting in Areni. Am nächsten Tag folgte eine Passfahrt mit Kaffeepause an einer alten Caravanserai, wo Struppi in einem Moment der Unaufmerksamkeit einen spitzen Hühnerknochen vom Boden aufnahm und genüsslich verspeiste. Puh, mit einem Hund braucht man Nerven, damit man sich nicht rund um die Uhr Sorgen macht. Ist letztendlich nichts passiert und die Nerven konnte uns unser Kumpel und Veterinär Matze ein wenig beruhigen. Danke lieber Matze, dass du bei jeglichen Tierarzt-Fragen immer für uns da bist!

Die Strecke führte uns erneut an den Sewansee. Da war ein Besuch bei Struppis Hundefamilie doch naheliegend. Je näher wir kamen, desto nervöser wurde ich. Sind die Hunde noch da? Oder hat der Wurf die kalten Minustemperaturen nicht überlebt? Wird Struppi ihre alte Heimat wiedererkennen? Was passiert eigentlich bei so einer tierischen Reunion? Freuen sich die Vierbeiner oder wird das Revier aggressiv verteidigt? Doch die Neugierde überwog und ich freute mich enorm als Struppis potenzieller Papa in seiner liebenswürdigen Hundeart auf uns zugelaufen kam. Vom jüngeren Wurf (von der kleinen Hündin mit dem dunklen Fell) konnten wir immerhin ein Hundebaby erblicken, das einen munteren und gesunden Eindruck machte. Aber wo war Struppis Hundemama mit den Geschwisterchen?! Das große Tor zum Privatgrundstück der Deutschlehrerin war geschlossen, doch eine kleine Tür stand offen. Wir gingen hinein und auf der Terrasse von dem Haus, wo wir damals mit Julia und ihrem Mann einen Kaffee tranken, blickten uns freudig schwanzwedelnd Struppis Mama und eines der Geschwisterhunde an. Ein Hund pro Wurf scheint also der Armenische Überlebensdurchschnitt zu sein. Oder aber die anderen Hundewelpen haben bereits ein neues Zuhause gefunden, dieser Vorstellung darf man sich ja durchaus hingeben. Wir haben uns jedenfalls riesig über das tierische Wiedersehen gefreut. Später ließen wir Struppi noch kurz aus dem Bus, wobei das Aufeinandertreffen wie zu erwarten eher vorsichtig und distanziert vonstatten ging. Das Geschwisterkind wollte Struppi sogar wegbellen, doch die Mama wies es in die Schranken. Vielleicht gab es also doch einen kurzen Moment des Wiedererkennens zwischen Struppi und ihrer Mutter. Wäre doch irgendwie romantisch.

Okay, wir müssen aufpassen, dass der Inhalt in diesem Blog nicht nur noch aus Hundefotos bestehen wird. Aber wer schonmal einen Hundewelpen großgezogen hat, der weiß, wie einnehmend (und zuckersüß!!!) so ein Hündchen in den ersten Lebensmonaten ist. Ein kleines Highlight aus dieser Zeit (neben der tollen Entwicklung, die man tagtäglich beim Tier beobachten konnte) war der Kauf eines Hundebetts. Bis dahin hat sich Struppi nämlich während der Fahrt im Beifahrerfußraum an unseren Wäschesack gekuschelt und ist manchmal ordentlich hin- und hergerutscht. Das Bett war sofort ihr neuer Lieblingsplatz und Rückzugsort bei Tag und Nacht. Außerdem diente es während der Fahrt sozusagen als Puffer. In Kissen und Polster eingebettet lassen sich auch die übelsten Rüttelpisten gut aushalten.

Fast eine Woche lang standen wir in Jerewan bei der „Mother Armenia“ zusammen mit Frieda und Sebastian sowie einer ganzen Reihe anderer Overlander. Einen Ausflug in die Kneipe konnten wir uns trotz Corona nicht verkneifen. Auch Struppi machte neue Freundschaften, denn neben Pepite (den wir ja schon kannten) tobte in der Runde auch das Hundemädchen Ayla herum, die nur einen Monat älter war als Struppi und mindestens genauso spielbegeistert. Es folgte eine Wocher voller Erledigungen. Marcos Brille ging kaputt, also ab zum Optiker. Ein Ölwechsel in der Truck Werkstatt stand an. Noch ein Paket musste abgeholt werden (auf die Geschichte rund um Marcos iPhone-Austausch möchte ich an dieser Stelle verzichten). Wir gingen für den Iran shoppen, denn lange Klamotten mussten her. An einem echten Pechsträhnen-Tag kränkelten wir nicht nur, es fuhr uns zu allem Übel ein Typ zweimal (mit Absicht!) in unsere Fahrräder rein und dann ging auch noch unsere Heizung kaputt. Diesmal nicht die Motorheizung, sondern die Standheizung, die uns bei den zu dem Zeitpunkt herrschenden Minustemperaturen warm halten sollte. Aber Marco schaffte es, das Teil innerhalb eines Tages (tagsüber bei Sonnenschein) zu reparieren. Unsere Pechsträhne war also zum Glück schnell wieder vorbei. 

Und dann hatten wir es auf einmal ziemlich eilig zur Iranischen Grenze aufzubrechen. Es war bereits Mitte Dezember 2021. Der Visumantrag über die Agentur wurde rasch bearbeitet und wir erhielten die ersehnte Zusage. Visum abholen, PCR Test machen, Gesundheitszertifikat beim Tierarzt einholen und dann innerhalb von drei Tagen am Grenzübergang sein. Das war ein straffes Programm. Bei einem Halt in Areni (wir wollten im Wine Tasting Souvenirladen, wo wir schonmal waren, eigentlich nur kurz ein hübsches Tischtuch kaufen) wurden wir nicht nur Zeugen eines LKW Unfalls (auf einmal knallte es und auf der Straße stieg dicker Rauch auf), dank Marcos blitzschneller Reaktion brachten wir unseren Feuerlöscher sofort an die Unfallstelle, wo die Fahrerkabine des einen Lastwagens bereits brannte. Wir holten noch weitere Feuerlöscher aus der unmittelbaren Umgebung und halfen dabei den Verkehr zu regeln, bis Feuerwehr und Krankenwagen eintrafen. Später erfuhren wir, dass der LKW Fahrer gerettet werden konnte. Hoffen wir, dass er mit nicht allzu schlimmen Verletzungen davongekommen ist. Der Tag endete bei den Vorotan Hot Springs, wo nicht nur Marco ein nächtliches Bad in der warmen Quelle machte, auch Struppi ist im Dunkeln versehentlich in den Naturpool geplumpst und hat bei ihrem ersten Tauchgang bewiesen, dass sie gut schwimmen kann. Morgens hab auch ich mich ins Wasser getraut. Ein natürlicher Whirlpool. Dann folgte ein weiterer Fahrtag über mehrere Bergpässe. Völlig fertig kamen wir abends etwa 20 Kilometer vor der Grenze an, tranken noch ein letztes Bier (auf Alkohol müssen wir im Iran ja erstmal verzichten) und fielen erschöpft ins Bett. Unsere letzte Nacht in Armenien war nicht besonders erholsam. Dank Coffee-to-go (in Armenien stehen überall an der Straße Kaffee-Automaten) rollten wir morgens trotzdem relativ fit dem Iran entgegen. 

Steinewerfende Karatekids

Auf dem Weg zum Berg Aragats – es war Anfang November 2021 – erblickten wir rein zufällig in der Ferne eine Satellitenschüssel, die uns neugierig machte. Also beschlossen wir kurzerhand einen Umweg dorthin zu fahren. Es war ein Radioteleskop, das wir entdeckt hatten und das „Radiophysics Research Institute / Aragats Scientific Center“ ließ uns netterweise für zwei Stunden auf das Gelände. Ein wirklich empfehlenswerter Ort, um Fotos zu machen.

Am nächsten Tag führten wir unsere geplante Route fort, und erreichten über eine erstaunlich gute Bergstraße die schneebedeckte Berglandschaft vom Aragats. Der erste Schnee in Struppis jungem Hundeleben und sie freute sich wie ein kleines Kind (naja, sie war ja auch noch ein kleines Hundekind) über die neue, kristallweiße Spielwiese. Auch wir hatten unseren Spaß im Schnee und genossen den ausgelassenen Spaziergang. Am Abend mummelten wir uns im Bus ein, denn es sollte eine eiskalte Nacht werden. Wir schauten uns in der ZDF Mediathek das weltbeste Musical „Der Eierwurf von Halle“ unserer Lieblings-Satire-Show (das ZDF Magazin Royal mit Jan Böhmermann) an. Dringende Streaming Empfehlung an dieser Stelle – bitte unbedingt gucken.

Weiter ging es nach Gyumri, wo wir Marcos Arbeitstage verbrachten und ich die kürzeste und krasseste Zahnreinigung meines Lebens hatte. Struppi freundete sich mit drei großen, schwarzen Parkhunden an und wir holten uns langsam unsere Freiheit zurück, indem wir eine ganze Stunde lang alleine Kaffeetrinken gegangen sind – ohne Hund. Oh man, das fühlte sich auch mal wieder gut an. Dann fuhren wir wieder Richtung Süden. Zwischendurch schneite es nochmal und wir bemerkten, dass unsere Motorheizung defekt war (der Motor sprang glücklicherweise trotzdem an). Kurzer Zwischenstop in Jerewan (wir erwarteten Pakete und guckten nochmal bei der Iranischen Botschaft vorbei) und dann ab zu den heißen Quellen nach Hankavan, wo wir uns einen privaten Thermalpool mit unserem Kumpel Florian teilten. Auf dem Rückweg (erneut nach Jerewan, irgendwie zog und die Hauptstadt sternenförmig an) trafen wir Frieda und Sebastian, die uns ein paar Einkäufe aus Georgien mitbrachten sowie ein Ersatzteil, das wir in Tiflis vergessen hatten abzuholen. Ein Parktreffen mit meiner Freundin Anke (die Frau auf dem Foto wollte unbedingt einen Hundekuss von Struppi) und ein Abendessen mit mehreren Reisenden in einem Tapas Restaurant füllten unsere Sozialspeicher wieder auf. Die Iranische Botschaft in Jerewan erteilte uns leider eine Absage, weshalb wir unser Visum für den Iran schließlich über eine Reiseagentur beantragten. Um die Wartezeit zu verkürzen, wollten wir noch eine Runde durchs Land drehen. 

Bei einem Übernachtungsplatz mit Blick auf den Ararat (nicht zu verwechseln mit dem Aragats) passierte dann eine ärgerliche und gleichzeitig lustige Geschichte: Ein paar Kinder waren übermütig und warfen einen Stein gegen unser Fahrzeug. Resultat: Beule im Auto, Lack abgeplatzt. Marco sprintet los, auf die Kinder zu. Kinder rennen weg. Marco hinterher. Struppi auch hinterher. Ich bleibe stehen. In der Ferne höre ich fremdes Hundegebell. Struppi sprintet zurück zu mir. Okay, immerhin ist der Hund wieder da. Aber wo bleibt Marco?! Kurz darauf bekomme ich Nachrichten auf mein Handy mit ein paar Namen. Noch etwas später schickt Marco mir einen Standort und eine Uhrzeit. Eine halbe Stunde nach dem Steinwurf kommt er zurück zum Bus. Zur vereinbarten Uhrzeit fahren wir im Dorf zu einer Karateschule. Marco hat nach einer Schnitzeljagd mit den Kids tatsächlich geschafft, ein Foto von einem der Kinder zu machen und hat im Ort rumgefragt, welches der Kinder den Stein geworfen hat und wo der Übeltäter zu finden ist. So bahnte er sich den Weg von Garten zu Garten und irgendwann landete er zusammen mit einer Traube an Kindern um sich herum in einer Karateschule. Der Karatelehrer hat ihm zunächst Geld angeboten, doch Marco war der pädagogische Lerneffekt wichtiger: Die verantwortlichen Kinder sollten unser Auto waschen. Im Gegenzug würde er das Foto von seinem Handy löschen. Nach großem Hin und Her und einer Fahrt im Schrittempo (ebenfalls mit einer Traube Kindern um unseren Bus herum) zu einer Waschanlage im Dorf, wurde unser Fahrzeug tatsächlich von Hand mit Schwämmen von der steinewerfenden Truppe gewaschen. Waldrian fuhr zwar nicht wirklich sauberer aus dieser Aktion davon, aber Marco war zufrieden, den Kindern eine Lehre erteilt zu haben: Wer Steine wirft, muss mit den Konsequenzen leben (oder schrubben). 

Armenien mit Fellnase

Nun waren wir also seit Mitte Oktober 2021 zu dritt und es fühlte sich noch ganz ungewohnt an, ab sofort ein felliges Lebewesen dabei zu haben. Der Fokus lag komplett auf dem Hund und unsere Reiseaktionen (z.B. einen Earth Cache angucken) wurden nebensächlich. 

Die folgenden Fotos zeigen ganz gut, dass wir eigentlich nur noch Augen für unsere bezaubernde Struppi hatten, auch wenn die Natur in Armenien durchaus sehenswert ist (vor allem zur goldigen Stunde am späten Nachmittag, wenn das gesamte Land in ein glänzendes Licht getaucht ist). 

Das Autofahren will geübt sein. Anfangs konnten wir nur wenige Kilometer einplanen und mussten viele Pausen machen. Es war gar nicht so einfach, einen geeigneten Platz für die Nacht zu finden, denn irgendwie waren alle äußeren Einflüsse für Struppi ziemlich überwältigend. Streunernde Hunde machten ihr Angst, selbst wenn diese weit weg waren. Duftende Wiesen waren so spannend, dass Struppi gar nicht wusste, wohin mit sich. Mit viel Geduld übten wir an geschlossenen Toren mit Wachhunden vorbeizugehen, wir lernten Fahrradfahrer kennen, wir trafen Pepite (den Hund von unserem französischen Bekannten Arthur) und legten immer wieder bewusste Ruhephasen ein. In der Stadt war es besonders aufregend, denn der ständige Verkehrslärm macht ja schon uns Menschen verrückt, wie soll es da einem kleinen Welpen gehen? Dennoch war es uns wichtig, Struppi früh genug an das Stadtleben zu gewöhnen. Das sorgte zwar auch bei mir für die ein oder andere überfordernde Situation, aber mit der Zeit entwickelten wir zusammen unsere Beruhigungsstrategien und es wurde irgendwann immer schneller immer besser. Mensch und Hund gewöhnen sich offenbar an alles. 

Ebenfalls gewöhnungsbedürftig war das ständige Sich-Sorgen-Machen. Struppi fraß am liebsten alles Pflanzliche (vorzugsweise giftig aussehende), was ihr so zwischen die Zähne kam. Das Resultat waren Verstopfungen oder Durchfall (glücklicherweise nur draußen), aber auch gerne mal ein sich nachts mehrmals übergebender Hund im Bus. Der erste Höhepunkt der Sorgenmacherei erfolgte als Struppi nach ihrer zweiten Impfung am nächsten Morgen mit einer ballonförmig geschwollenen Schnauze aufwachte. Also wieder zum Tierarzt: Anti-Allergie-Spritze und Infusion. Da tut einem das kleine Wesen schon leid. 

Wir machten zusammen aber auch super Fortschritte, lernten uns zu entspannen, konnten Spaziergänge an längerer Leine schon richtig gut genießen, machten viel Aufmerksamkeitstraining und tasteten uns langsam ans Alleinbleiben im Bus heran. Die Tollwut-Impfung beim Tierarzt verlief ohne Probleme und legte den Grundstein für unsere zukünftige Reiseplanung, denn nur mit einem „durchgeimpften“ Hund durften wir das Land überhaupt verlassen. Und als hätte das Schicksal nur darauf gewartet, machten sich erste Gerüchte breit, dass die Landesgrenzen zum Iran bald öffnen sollten. Ein paar organisatorische Steine lagen jedoch noch im Weg, schließlich wäre es das erste Land, für das wir ein „richtiges“ Visum benötigten und auch ein „Carnet des Passage“ für unser Fahrzeug beantragen müssten. Am besten kombiniert man Notwendiges mit Schönem und deshalb machten wir es uns für den Orgakram auf unserem geliebten Campingplatz bei Sandra bequem. Struppi freute sich über die Gesellschaft von den Platzhunden Max und Mickie. Wir freuten uns über die Gesellschaft von anderen Reisenden und blieben wieder eine knappe Woche auf dem tollen Overlander-Spot. 

Es war bereits Anfang November 2021, da fuhren wir los, um noch ein bisschen was vom Land zu sehen. An den Kapellen kommt man in Armenien nicht dran vorbei. Aber auch die unendliche Weite des Landes habe ich noch deutlich vor Augen. Struppi blühte beim Spielen mit einem Bauern-Welpen auf und wurde immer selbstbewusster. Dann ging es für uns Richtung Nordwesten.

Auf den Hund gekommen.

Vom goldenen Oktober war in Armenien nichts zu sehen. Unsere erste Woche im neuen Reiseland war durchgängig grau, düster und regnerisch. Die Gegend im Norden um Alawerdi erinnerte an Ostcharme und Rostcharme. Tatsächlich waren alle Häuser und Gebäude mit roströtlichen Backsteinen gebaut. Die Wiesen waren matschig und es dauerte nicht lange bis wir uns in den ersten Tagen in einem Tal festfuhren. Glücklicherweise schafften wir es kurze Zeit später wieder selbst heraus. Wir fanden ein sympathisches Restaurant, in dem wir uns zwei Abende hintereinander den „Homie-Wein“ schmecken ließen, eine urige Ausstellung im Felsen besichtigten und von einer lustigen Gruppe zum Tanzen aufgefordert wurden. Am zweiten Abend musste etwas an dem Frischkäse, den nur ich gegessen hatte, schlecht gewesen sein. Jedenfalls konnte ich die Fahrt zur Kobayr Klosterruine am nächsten Tag nicht wirklich genießen, sondern hing irgendwann „über der Schüssel“. Mir ging es so übel, dass Marco abends in Wanadsor alleine essen gehen sollte (ich hätte Essensgeruch im Bus nicht ertragen können). Er war so lieb und brachte mir aus der Apotheke eine Pille mit. Ja, tatsächlich eine einzelne Tablette ohne Verpackung und nichts. Hat geholfen, ich fühlte mich zwar weiterhin elend, aber mir war nicht mehr schlecht und so konnten wir nach einem halben Ruhetag weiter nach Dilijan fahren.

Es war nicht nur regnerisch, sondern wurde auch zunehmend kälter. Nord- und Zentralarmenien liegen relativ hoch oben und für die Region um den Sewansee waren bereits eisige Temperaturen angekündigt. Als wir dort waren, schneite es allerdings noch nicht und wir fanden abends kurz vor Dämmerung einen Platz direkt am See. Ein Privatgelände, wie sich im Dunkeln schließlich herausstellte. Doch wir hatten Glück: Die Besitzerin (eine Lehrerin) sprach fließend Deutsch und freute sich über unseren zufälligen Besuch. Wir durften auf dem Grundstück bleiben und sollten uns wie zu Hause fühlen. Ihr armenisch sprechender Mann schwamm am nächsten Morgen sogar eine Runde im See. So mutig sind wir nicht gewesen. Aber ich hatte kurz darauf sowieso nur noch Augen für die niedlichen Hundebabies. Es kam nämlich eine Hundemama mit ihrem fünfköpfigen Wurf vorbei und ich war ganz froh, dass Marco noch einige Stunden Laptoparbeit vor sich hatte. So konnte ich den ganzen Vor- bis Nachmittag Zeit mit der Hundefamilie verbringen. Es wurde gespielt, gesäugt, herumgetapst, sich saubergemacht. Das Hundefutter, das ich der Mutter hingeworfen hatte, überließ sie größtenteils ihren Schützlingen. Die Mama war ganz liebevoll zu den Kleinen und irgendwann folgten alle ihrer Mutter zum Trinken an das Seeufer. Und dann passierte es. Da gab es diesen ganz besonderen Moment zwischen mir, der Hundemama und dem einen kleinen Hundebaby, auf das ich schon die ganze Zeit ein besonderes Auge geworfen hatte. Da gab es diese Abmachung zwischen der Hundemama und mir. Zumindest bilde ich mir ein, dass sie ihr Hundekind sehr wohlwollend präsentiert und geradezu auffordernd zu mir rübergeschoben hat. Bis zu dem Zeitpunkt war ich überzeugt davon, dass Hundewelpen vor allem eines brauchen – ihre Hundemutter. Aber wann ist eigentlich der Zeitpunkt des Loslösens? Wann wäre ein guter bzw. ein angemessener Zeitpunkt Muttertier und Welpe voneinander zu trennen? Wann wäre eine Trennung vielleicht sogar förderlich für die weitere Entwicklung – sofern das Hundekind zukünftig in einer Menschenfamilie großwerden soll? Frage ich mal Marco, dachte ich mir. Und wurde auf einmal ganz schön nervös, weil ich vermutete, dass er generell dagegen sein würde, einen Hund zu adoptieren. War er aber nicht. Im Gegenteil, er nahm die Flausen aus meinem Kopf ziemlich locker auf und wies zwar auf jegliche Gegenargumente hin, jedoch war er gerne bereit dazu, sich in den kommenden Tagen gemeinsam mit mir Gedanken darüber zu machen, was so ein Hundebaby alles braucht, was es für Verantwortung mit sich bringt und was das für uns und unser (Reise-)Leben bedeuten würde.

Wir ließen der Deutschlehrerin einen Brief mit meiner Nummer zurück, fuhren jedoch vorerst ohne Hundebaby nach Jerewan. Ein paar Tage Bedenkzeit mussten bei so einer großen Entscheidung schon sein. In der Hauptstadt wartete dann endlich das goldige Oktoberwetter auf uns, nach dem wir uns sehnten. Noch dazu fanden wir einen idyllischen Platz in einer Schlucht mit Fluss, der mitten durch die Stadt führt. Mit den Rädern waren wir durch einen Tunnel schnell im Zentrum, wo wir unter anderem die Blaue Moschee und das Modern Art Museum besuchten. Dann endlich meldete sich die Deutschlehrerin per Whatsapp bei mir. Gerne dürfen wir ein Hundebaby mitnehmen, schrieb sie. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn meine Gedanken kreisten ständig um den Hund und die Hoffnung auf eine positive Antwort. Plötzlich war sie da und ich war mega aufgeregt. Marco freute sich auch so sehr wie ich und er hatte sogar einen Namensvorschlag, den ich sofort befürwortete: Unser kleines Hündchen soll Struppi heißen.

Wir verabredeten uns mit Julia, der Deutschlehrerin, zur Abholung am nächsten Tag. Die Fahrt von Jerewan nach Sewan verging wie im Flug und wir waren zwei Stunden zu früh da. Egal, so konnten wir noch Zeit mit den Hunden allein verbringen, Vertrauen aufbauen und Struppi im Beisein der Mama ein bisschen an den Bus gewöhnen. Als Julia mit ihrem Mann Chazhak ankam, luden sie uns noch zu Kaffee und Kuchen ins Haus ein. Es war ein richtig schöner Nachmittag und wir haben die Einladung sehr genossen. Beim Abschied draußen nahm ich Struppi wie selbstverständlich auf den Arm und das Hündchen fuhr die ganze Strecke zurück nach Jerewan wie selbstverständlich in der Spülschüssel auf meinem Schoss mit. Beim Tierarzt machten wir noch am gleichen Abend alle notwendigen Sachen: Impfung, Wurmkur, Flohkur, Microchip, Ausweis und Zubehör. Außerdem wurden wir mit der frohen Botschaft überrascht, dass Struppi ein Mädchen ist. Bis dahin hatte ich unwissenderweise auf ein Männlein getippt, aber wir waren uns schnell einig, dass Struppi selber entscheiden soll, was sie sein möchte. Dann fielen wir nach diesem aufregenden Tag völlig müde ins Bett (bzw. ins Spülschüsselkörbchen) und freuten uns beim Einschlafen auf den neuen Lebensabschnitt zu dritt.

Die erste Woche mit Hund verbrachten wir ganz „behütet“ auf einem Campingplatz bei Garni. Es gab so viel Neues zu lernen. Nicht nur für Struppi, sondern auch bzw. gerade für uns. Diverse Webseiten, Ebooks und YouTube Videos sorgten für den theoretischen Input. Daneben war aber auch viel „Learning by doing“ angesagt. Dank Campingplatzhund Mickie und den Gänsen gab es tierische Interaktionspartner für die Sozialisierungsphase und natürlich war Struppi auch bei den menschlichen Gästen sehr beliebt. Der Abschied von Campingplatzbesitzerin Sandra fiel uns nach sechs Tagen beinahe schwer, doch ein Reisehund sollte das Reisen lernen. Daher auf zu neuen Abenteuern mit hündischer Begleitung.