Überraschendes Indien

Man merkt, dass die Reise an Fahrt aufgenommen hat, wenn man mit seinen Blogartikeln ganze sechs Monate im Verzug ist. Leute, wie die Zeit vergeht! In der Zwischenzeit ist so viel passiert und wir sind nicht nur ein knappes halbes Jahr durch halb Indien gereist (und Indien ist riesig), wir sind auch durch Nepal im Schnelldurchlauf gefahren, haben unsere ersten Erfahrungen mit Verschiffungsfirmen in Mumbai gemacht, sind mit Hund und Kegel nach Thailand geflogen, haben unser rollendes Zuhause auf einem Schiffscontainer den Seeweg antreten lassen während wir mit Rucksack, Koffer und Transportbox bepackt erstmals auf dieser Reise das Hotel-Leben kennenlernten (mit der Einschränkung nur in hundefreundlichen Unterkünften einkehren zu dürfen). Und jetzt sitzen (bzw. liegen) Struppi und ich zu zweit in einem Hotelzimmer in Hat Yai im Süden Thailands während Marco sich allein in ein Flugzeug nach Malaysia gesetzt hat, um unseren Bus vom Hafen in Kuala Lumpur abzuholen. Klingt kompliziert? Um die gesamte Geschichte niederzuschreiben, werde ich hoffentlich keine weiteren sechs Monate benötigen. Aber spulen wir doch zunächst einmal ein halbes Jahr zurück… *KASSETTENSPULGERÄUSCH*

Der Grenzübergang von Pakistan nach Indien war Ende Mai 2022 für uns der wahrscheinlich beeindruckendste Grenzübertritt unserer bisherigen Reise. Ja, diese Pforte (siehe Fotos) wurde extra für uns geöffnet und ja, wir sind durch das leere Stadion von der Attari-Wagha-Border gefahren, in dem täglich zur Schließung eine legendäre Grenzzeremonie zwischen den pakistanischen und indischen Militärkräften stattfindet. Auf der Suche nach einer SIM-Karte in Amritsar wurden wir vom Getümmel der Straßen förmlich aufgesogen, haben uns über bunte Kleidung und motorradfahrende Frauen gefreut und das Gefühl, abends in unserem Guesthouse mit einem Bier in der Hand in den Pool zu tauchen, war einfach nur unbeschreiblich. Dankbarkeit pur! Natürlich haben wir uns am nächsten Tag nicht nur den goldenen Tempel in Amritsar angeschaut, sondern uns auch die besagte Grenzzeremonie nicht entgehen lassen. Struppi hat auf dem Grundstück vom Guesthouse neue hündische Freunde gefunden und damit war unser Start in Indien einfach perfekt!

Bei der Fahrt durch die Region Punjab haben wir in der Ferne einen malerischen See gesichtet und uns spontan entschieden: Da müssen wir hin! Der Ort nannte sich „Mini Goa“. Ob das ein zutreffender Name ist, können wir rückblickend nicht beurteilen, da wir es nie nach Goa geschafft haben. Aber eines können wir sagen: Es war dort traumhaft schön! Nach einem erfrischenden Badegang wurden wir am Nachmittag von einer Männergruppe auf ein (oder zwei, oder drei) Gläschen Whiskey eingeladen und bekamen am Abend in unserem Bus noch Besuch von einer netten Familie. Wir fühlten uns äußerst willkommen! Das ruhige Beobachten von Wasserbüffeln wurde zu Struppis neuer Lieblingsbeschäftigung. Die ersten Affen, die sie bei unserer Weiterfahrt in die Region Himachal Pradesh durch die Frontscheibe erblickt hat, haben unsere Junghündin frühmorgens in Dalhousie allerdings so erschreckt, dass sie vor Aufregung in den Bus gepullert hat. Hoppla! Marcos Arbeitstage verbrachten wir an einem Tümpel (dem sogenannten Khajjiar Lake), der irgendwann mal zu einer Haupttouristenattraktion geworden ist. Vermutlich weil die Lage in der Höhe etwas Abkühlung von den sommerlich heißen Temperaturen versprach. War nett dort und es kühlte abends auch tatsächlich sehr angenehm ab. Ein weiterer Vorteil waren die vielen vegetarischen Restaurants dort. Wir lieben das indische Essen!

Mit unserem Reisefreund Sebastian (diesmal ohne Frieda, weil sie für diverse Fotografie-Jobs in Deutschland war) trafen wir uns erneut auf ein langes Wochenende in „Mini Goa“. Danach ging es für uns nach Dharamshala, wo diesmal ein klarer Fluss für unsere Erfrischung sorgte und wir uns für ein paar Tage niederließen. Ich hatte vorab ziemlich schlimme Erwartungen von Indien gehabt, aber irgendwie wollten sich diese Vorurteile nicht bestätigen und fast jeder Ort entpuppte sich in dieser Anfangszeit als kleine Wohlfühloase. So auch das kleine Dörfchen Dharamkot oberhalb von McLeodGanj (der Sommerresidenz des Dalai Lama), in das wir bei einem Regenschauer mit Stau und die letzten Kilometer nur über eine extrem schmale Straße (für mich als Fahrerin war das Zentimeterarbeit mit Waldrian) gekommen sind, was wir wahrscheinlich nur deshalb auf uns genommen haben, weil uns zum einen das Klima auf 2.000 Metern gelockt hat und weil wir zum anderen mit Marcos Bruder Joshua und seiner Freundin Charly verabredet waren. Das erste Mal Familienbesuch auf der Reise, das war definitiv jeden Höhenmeter wert! Die Zeit mit den beiden war großartig und der Ort war einfach so wunderbar entspannt, dass wir eine ganze Woche dort blieben.

Dann sollte es noch weiter in den Norden gehen. Schließlich war es unser Ziel, vor dem Monsun zu fliehen, der sich durch den einen oder anderen heftigen Regenschauer bereits ankündigte. Wir fuhren durch dschungelartige Wälder, reparierten notdürftig unseren Auspuff, besichtigten einen Steintempel und hatten dabei eine nette Zufallsbegegnung mit einem Inder, den wir in Dharamshala kennengelernt haben. Für die Region Jammu & Kashmir benötigten wir schon wieder eine neue SIM-Karte. Über die App „iOverlander“ verabredeten wir uns mit Naveen, einem wundervollen und hilfsbereiten Menschen, der Overlander für einen Zwischenstop gerne auf sein Grundstück einlädt. Wir hatten keine großen Erwartungen und wurden von der Gastfreundschaft der Familie völlig überrascht. Alle waren super nett, wir wurden mit Getränken und Essen versorgt und uns wurde sogar ein eigenes Zimmer mit Bad und Klimaanlage bereitgestellt. Witzigerweise war Marco zu dem Zeitpunkt davon überzeugt, dass wir unbedingt in unserem eigenen Bus schlafen müssen, damit die Klimaanlage uns nicht die Akklimatisierung versaut. Wie blöd von uns, denn es war eine sehr heiße Nacht, hahaha! 

Es folgten zwei Fahrtage auf vielbefahrenen LKW-Straßen bis wir schließlich in Srinagar ankamen. In der Stadt am Dal See kamen wir nicht drumherum von diversen Hausbootbesitzern angesprochen zu werden, die ihre schwimmenden Hütten vermieten wollten. Unsere erste Anlaufstelle – ein dreckiger und teurer Bezahlparkplatz an der lauten Touristenmeile – schreckte uns zunächst ab. Doch dann kam es zu einem Glückstreffer: Das Swiss Hotel (wiederum als Eintrag in der iOverlander-App zu finden) hatte einen Platz für unser Fahrzeug. Auch hier waren wir die ersten Overlander nach Jahren der pandemiebedingten Grenzschließung. Das nette Hotel-Team ludt uns nicht nur zum Tee ein, wir durften auch in unserem Bus bleiben, solange wir wollten und den tollen Garten, den Gemeinschaftsraum und die Toilette nutzen. Einfach nur wow! Da kamen die Arbeitstage von Marco gerade recht. Da das Hotel leider kein eigenes Restaurant hatte (sonst hätten wir dort natürlich gern unser Geld gelassen) gingen wir in der Stadt essen und revanchierten uns beim Hotelbesitzer mit einem typisch deutschen Kochabend. Es gab ein klassisches Rezept von meiner Mama: Kartoffelbrei mit Blumenkohl in Weißer Soße. Lecker!

Gegen Ende unserer Woche in Srinagar stießen auch unsere Reisefreunde Sebastian und (die aus Deutschland zurückgekehrte) Frieda wieder zu uns. Wir nutzten die Gelegenheit für eine gemeinsame Bootstour auf dem Dal See. Als kleine Gruppe macht sowas doch gleich viel mehr Spaß. Es war mittlerweile Anfang Juli 2022. Die Platzsuche außerhalb von Srinagar führte uns zu einem Fischersteg, wo wir unsere beiden Düdos „Schnauze an Schnauze“ parkten. Dort kamen wir mit einem Restaurantbesitzer ins Gespräch, der uns alle Vier zum Essen in sein Restaurant einludt (das Dinner war übrigens fantastisch). Und schon wieder so viel Gastfreundschaft, da fehlen mir die Worte! Indien, du überraschst mich wieder und wieder!

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