Die Einreise nach Pakistan war ein Erlebnis der besonderen Art. In einem kleinen, dunklen Lehmhäuschen mit spartanischer Einrichtung (bis auf Tischlein und Stühlchen – ich benutze an dieser Stelle bewusst die verniedlichte Form – gab es keinerlei Einrichtunggegenstände) wurden unsere Daten am Grenzposten aufgenommen, indem ein Buch gigantischen Ausmaßes (damit hätte man jemanden erschlagen können) auf dem Tisch ausgebreitet wurde (von der Tischplatte keine Spur mehr) und unsere persönlichen Informationen über jeweils eine gesamte Buchspalte hinweg handschriftlich eingetragen wurden. Das nahm einige Zeit in Anspruch. An der nächsten Station (diesmal eine riesengroße Halle) wurden unsere Pässe kontrolliert. Auch dies nahm einige Zeit in Anspruch. Angenehmerweise wurde uns Tee gereicht und wir plauderten nett mit den Grenzbeamten, die uns etliche Fragen stellten und unsere Antworten formlos auf einem Schmierpapier notierten. Am Ende gab es aus dem Obergeschoss geheimnisvolle Handzeichen, die wohl bedeuteten, dass mit unseren Pässen alles in Ordnung sei. Kontrolle abgeschlossen, wir wurden entlassen. Prima. Jetzt musste nur noch das Zolldokument unseres Fahrzeuges (das sogenannte Carnet des Passages) gestempelt werden, denn an den ersten beiden Stationen fühlte sich niemand dafür verantwortlich. Zurück im Auto wurden wir bereits Richtung Ausfahrt gewunken. Also nochmal erklärt, dass wir ohne Einreise-Stempel im Carnet den Grenzübergang nicht verlassen können (ansonsten würde es definitiv Probleme bei der Ausreise geben). Daraufhin schickte man uns zuerst in das rechte Häuschen neben der Torausfahrt, wo man uns Fragen stellte, die wir immer noch gern beantworteten (mit dem Carnet hatte das allerdings nichts zu tun). Dann schickte man uns in das linke Häuschen neben der Torausfahrt, wo man uns warten ließ. Die Einrichtung in diesem Räumchen war auf ein Feldbett und einen kaputten Drehstuhl beschränkt. Wir wählten das Feldbett als Sitzgelegenheit. Ein bisschen mulmig wurde uns beim Anblick der verstaubten Einschusslöcher in den Wänden. Irgendwann kam schließlich jemand, der uns die gleichen Fragen stellte wie an den Stationen zuvor und unsere Antworten wiederum auf einem leeren Blatt Papier detailverliebt aufnahm. Doppelt oder dreifach hält anscheinend besser. Wo diese ominösen Notizblätter mit unserer Lebensgeschichte am Ende wohl landeten?! Dann war es soweit und ein Fahrzeug eskortierte uns zu einem völlig anderen Gebäude außerhalb der Grenzanlage, wo unser Carnet ordnungsgemäß gestempelt wurde, und schließlich zu dem noch weiter abgelegenen Hof von den Levies, wo unsere Reisefreunde Frieda und Sebastian uns bereits ungeduldig erwarteten. Die beiden kamen aufgrund ihres auslaufenden Iran-Visums schon am Vortag bei den Levies an und verharrten dort eine Nacht, um auf uns zu warten, denn wir wollten die bevorstehende Polizei-Eskorte durch Belutschistan gern zusammen machen. Ach ja, die Levies sind in Pakistan sowas wie die Polizei vom Lande. Mehr oder weniger gefährlich aussehende Typen mit teils schwerer Bewaffnung, die für unsere Sicherheit sorgen sollten. Einige Regionen des Landes durften wir als westliche Touristen nämlich nicht allein bereisen. Für die einzelnen Streckenabschnitte wurde uns jeweils ein Polizei-Fahrzeug (vollkommen kostenfrei!) zur Verfügung gestellt, das uns zur nächsten Polizei-Station bzw. zum nächsten Levies-Posten eskortierte. Dort ging es dann mit einer anderen Truppe weiter und so zog es sich über hunderte von Kilometern durch Belutschistan, KPK und weitere Regionen Pakistans. Aber genug der Einführungsworte, die folgenden Fotos von unseren Fotografen-Freunden (Instagram: @friedamaelle und @sebastian_schubbe) zeigen einige kunterbunte Eindrücke von unseren gemeinsamen, ersten Eskort-Tagen durch Pakistan.












Die Levies weigerten sich übrigens bei unserer Ankunft am selben Tag noch loszufahren (es war gerade mal Mittagszeit), sodass wir unseren ersten Tag in Pakistan bei brütender Hitze schmorend auf dem Levies-Hof verbrachten. Frieda und Sebastian taten uns leid, da sie somit noch eine weitere Nacht „hinter Gittern“ schlafen mussten, aber immerhin konnten wir ihnen ja jetzt Gesellschaft leisten. Am nächsten Tag (es war mein Geburtstag, der 26. März 2022) ging es frühmorgens los. An den Linksverkehr hatten wir uns schnell gewöhnt. Die staubig-lebendigen Straßenszenen Belutschistans zogen wie im Film an uns vorbei und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Das Tempo wurde leider vom Eskort-Fahrzeug vorgegeben, sodass wir teilweise nicht hinterherkamen (sorry, aber Waldrian schafft keine 100km/h) und die riskanten Überholmanöver der Polizei in Frage stellten (die sollten doch eigentlich für unsere Sicherheit zuständig sein). Dann wieder erwischten wir ein Levies-Auto mit Reifenpanne, sodass es nur noch im Schneckentempo vorwärts ging. Manchmal wurden wir nur wenige Kilometer zum nächsten Checkposten eskortiert, teilweise fuhren wir mehr als 100 Kilometer am Stück, bevor es eine (mal sehr lange, mal sehr kurze, manchmal gar keine) Pause gab. Eine ständige Belohnung für das Auge waren die aufwändig geschmückten LKW’s (die sogenannten Jingle Trucks), die in Pakistan das Straßenbild deutlich prägen und die aus unserer Perspektive einfach nur wunderschön und einmalig sind. Die Ortschaften – bestehend aus einer Anreihung von Lehmschuppen, vor denen sich ein buntes Treiben abspielte – waren besonders interessant. Gemüsekarren, Mopedfahrer, Kühe, Hühner und Männer in traditioneller Einheitskleidung teilten sich den Straßenrand. Frauen waren in der Öffentlichkeit nicht zu sehen und wenn dann nur in Komplettverschleierung. Eine für uns völlig fremde Welt, die uns mental noch einiges abverlangen sollte. Die Eskort-Tage waren aufregend, voller spannender Situationen und gleichzeitig extrem anstrengend. Unsere Reise war gefühlt wieder einmal auf einem ganz neuen Level angekommen. Hier noch mehr wunderbare Fotografen-Bilder, die dieses Reisegefühl passend untermalen.












Unsere Hündin Struppi hat die wilde Fahrt tapfer mitgemacht, auch wenn sie sichtlich am schwitzen war. Ich selbst bin am ersten Tag noch fröhlich ohne Kopftuch losgefahren (in Pakistan gilt für Frauen keine gesetzlich Pflicht ein Kopftuch zu tragen, so wie es beispielsweise im Iran der Fall ist), habe es am zweiten Tag aber wieder aus dem Schrank gefischt, weil ich zunehmend unsicherer wurde, was mein Auftreten betraf. Ein Aspekt unserer Reise, der mich noch länger beschäftigen wird. Rückblickend habe ich glücklicherweise eine selbstbewusste Meinung zu dem Thema entwickelt, aber diese Einstellung musste sich bei mir auch erstmal festigen. Das Frauenbild bzw. die Rechte der Frauen ist eine von mehreren Kontroversen, die uns auf unserer Reise durch Pakistan und darüber hinaus noch lange Zeit begleiten werden.















Die erste Nacht während der Eskorte verbrachten wir auf einem Hotel-Innenhof. Wir wurden durchgängig (auch nachts!) von zwei Levies bewacht. Am zweiten Fahrtag erreichten wir die Stadt Quetta, wo wir neben einer Polizei-Station „abgestellt“ wurden. Auch Einkäufe und einen notwendigen Behördengang durften wir nur in bewaffneter Begleitung erledigen. Ironischerweise blieben wir bei einem dieser Innenstadt-Eskorts auf der Ladefläche eines Polizei-Autos mitten in einer Demonstration stecken und mussten uns dann durch eine Menschenmenge bahnen. Das Ganze mit Struppi an der Leine, die bei der Hitze nicht allein im Bus zurückbleiben konnte. Irgendwann heulte die Sirene eines Krankenwagens auf, woraufhin auch Struppi zu Jaulen begann. Diese Gesamtsituation hatte schon etwas sehr Komisches an sich. Wir blieben noch eine zweite Nacht in Quetta, da wir wegen der Demo nicht alles erledigen konnten (u.a. hatten wir immer noch keine SIM-Karte und waren somit in unserer Kommunikation und weiteren Reiseplanung eingeschränkt). Mittlerweile hatten wir uns an die Polizei-Station gewöhnt und fanden es beispielsweise völlig normal, die Knastdusche neben den beiden Gefängniszellen zu benutzen. Im Nachhinein war es sogar witzig, dass wir im Vorbeigehen von den Gefangenen mit einem netten „Hello, how are you?“ begrüßt worden sind. Ja, man gewöhnt sich wirklich an alles. Während ich am ersten Abend die herumlungernden Kinder um unseren Bus herum noch unangenehm fand (wer weiß, worauf die es abgesehen haben – so mein Vorurteilsdenken), entwickelten sich am zweiten Tag bereits richtig schöne Gespräche (diese Kinder konnten verdammt gut Englisch sprechen und natürlich hatten sie vor allem Interesse daran, unseren süßen Hund zu sehen). An unserem Abreisetag schenkten wir großen und kleinen Mädels uns gegenseitig sogar kleine Aufmerksamkeiten zum Abschied. An diesem Tag haben wir übrigens unser Eskort-Auto unterwegs „verloren“ und fuhren plötzlich allein durch Belutschistan (nicht wissend, ob das so seine Richtigkeit hatte). In irgendeiner Ortschaft haben sich dann aber wieder Levies bei uns „angedockt“ und mitten während der Fahrt ging es mit kurzem Handsignal, dass wir ihrem Auto folgen sollten, mit der Eskorte weiter. War ein bisschen so wie im Action-Film. Am Abend erreichten wir die Stadt Loralai, wo wir in einer umzäunten Polizei-Stelle parkten. Es war schon spät und eigentlich waren wir einfach nur hungrig und müde. Also schnell noch was essen und ab ins Bett… dachten wir. Erstmal alle wichtigen Leute kennenlernen, dachten sich die Polizisten. Einladung zum Tee beim Polizei-Boss, der uns dann aber nie serviert worden ist. Hinsetzen im Stuhlkreis, warten auf eine weitere wichtige Person, warum auch immer. Person trifft ein, Vorstellungsrunde, nochmals erklären, dass wir nur etwas zu Essen holen und dann schlafen gehen wollen. Long story short: Die ganze Aktion hat zweieinhalb Stunden gedauert, wir wurden schließlich in einem Privatauto mit getönten Scheiben und mindestens 10 (!) Polizisten im Schlepptau zu einem Restaurant gefahren, wo das Aufschreiben der Bestellung eine Ewigkeit dauerte (wir mussten währenddessen im Auto sitzen bleiben) und nur die Hälfte bei uns ankam, wir auf dem Polizeihof nochmal umparken mussten (weil irgendwem der Platz, der uns ursprünglich zugeteilt wurde, doch nicht passte) und – last but not least – Marco von dem Restaurant-Essen die gesamte Nacht durchkotzen musste. Diese Geschichte ist so verdammt sinnbildlich für viele Situationen, die uns in Pakistan noch begegnen würden. Bleibt zu betonen, dass alle Polizisten, Soldaten und Autoritätsmenschen stets freundlich zu uns waren und es mit ihrer Hilfsbereitschaft ja nur gut meinten. „It’s our duty to help“ – ist der häufig gefallene Satz, der mir dazu ins Gedächtnis kommt. Es ist unsere Pflicht zu helfen. Das zeigte sich auch am Folgetag als Marco mit einer Lebensmittelvergiftung auf dem Polizeirevier flachlag. Aber dazu im nächsten Blog-Beitrag mehr.











