Agra, Mumbai, Schiff & Flug.

Eine Weltreise ist wie ein Dauerurlaub, oder? Manchmal ja, manchmal nein. Die Fahrt durch Indien verlangte uns jedenfalls so viel ab, dass wir nach fünf Monaten in diesem wunderschönen, aufregenden aber auch kräftezehrenden Land dringend eine Auszeit brauchten. Und was wäre da naheliegender als einfach mal eine Woche Hotelurlaub zu machen? Also buchten wir uns eine Woche lang ins Taj View Hotel ein und genossen Frühstücksbüffet, Klimaanlage, Fitnessraum, Swimmingpool, Hundfreilauf im Garten, Hotelrestaurants am Abend und eine klassische Cocktailauswahl an der Hotelbar. Marco arbeitete und ich kümmerte mich um Struppi und unseren Reiseblog. Und dann durften wir in dieser Hotelwoche noch eine wichtige Entscheidung treffen. Nämlich wie die Reise weitergeht. Das war leider ganz schön kompliziert. Da wir über den Landweg vorerst nicht weiter bzw. nach Hause kommen sollten (Krieg in Myanmar, Grenzen dicht nach China, Proteste im Iran) und die Verschiffungspreise nach Europa zu dem Zeitpunkt einfach unbezahlbar waren, skizzierten wir folgende Möglichkeiten: 1) Fahrt nach Mumbai, Verschiffung nach Malaysia und dann die Wintermonate durch Südostasien reisen. 2) Fahrt zurück nach Pakistan, Verschiffung nach Europa (weil von dort aus eventuell günstiger) und dann im Winter in der Türkei Klettern gehen. 3) Fahrt zurück nach Nepal, neues Visum beantragen, den Winter im Süden von Indien verbringen und ein paar Monate später gucken, ob es dann vielleicht über den Landweg weitergeht. Wir hatten zwar Zweifel, ob die Verschiffung von Mumbai aus überhaupt klappen würde, aber dennoch entschieden wir am Ende der Hotelwoche bei einem Cocktail in der Lobby: Wenn schon, denn schon! Lass uns noch mehr erleben und nach Südostasien verschiffen. Ob es klappen wird? Wer weiß das schon, aber lass es uns doch einfach ausprobieren!

An unserem Abreisetag wollten wir natürlich noch die Attraktion sehen, für die wohl die meisten Touristen in die Stadt Agra kommen. Auch wir wollten uns einen Besuch vom Taj Mahal nicht entgehen lassen. Das palastartige Marmor-Mausoleum gilt als Symbol unsterblicher Liebe und bekam wegen seiner Schönheit und Größe einen Platz auf der Liste der sieben neuen Weltwunder. Das muslimische Bauwerk, dessen Bau 1632 begann und über zwanzig Jahre dauerte, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist wohl eines der imposantesten Gebäude der Welt, weshalb dieser prächtige Palast aus weißem Mamor zu den Wahrzeichen Indiens zählt. Im Morgengrauen (für Marco viel zu früh am Morgen) spazierten wir durch die dunklen Gassen von Agra zu den Eingangstoren vom Taj Mahal und waren natürlich nicht die einzigen, die das Grabmal bewundern wollten. Eine Stunde später hätten wir wahrscheinlich nicht so lange anstehen müssen, dennoch war die Stimmung zum Sonnenaufgang eine ganz besondere und zumindest ich war zufrieden mit unserer morgendlichen Aktion (Marco würde jetzt sagen, dass sich ein Besuch vom Taj Mahal überhaupt nicht lohnt, aber das ist ja – wie so vieles im Leben – Ansichtssache).

Wir hatten nun also die Entscheidung getroffen, nach Mumbai zu fahren und tatsächlich den Plan mit der Verschiffung anzugehen. Auf dem Weg schauten wir uns Höhlen mit Buddha Figuren an und besichtigten ein mit Tiermotiven verziertes Fort. Einer unserer Stellplätze inmitten einer Buschlandschaft lud zum Beobachten von echten Tieren ein (tagsüber kam eine Borstenschweinfamilie vorbei und zur Abenddämmerung heulte ein wilder Hund so eigenartig, dass er fast mit einem Wolf zu verwechseln war). Marco war immer noch regelmäßig am Joggen und erweiterte sein Trainingsprogramm sogar noch mit dem Kauf von Hanteln, die er seitdem für sein Krafttraining nutzt. 

Die Fahrt führte uns durch mit Blumengirlanden festlich geschmückte Ortschaften. Es standen Feiertage bevor und das sah man nicht nur den Leuten und den Häusern an, es wurden auch viele der herumlaufenden Kühe und Wasserbüffel verziert und angemalt. Überall gab es Stände, an denen man Festtagsschmuck kaufen konnte. Die Menschen feierten das Lichtfest Diwali (das in Indien einen vergleichbaren Stellenwert hat wie bei uns die Weihnachtsfeiertage) und auch wir stellten in der Festnacht im Cockpit ein paar Kerzen auf. Beim Erwachen standen wir mal wieder etliche Besucher um unseren Bus herum und guckten neugierig ins Fenster rein. Auf der Suche nach Joghurt kümmerte sich der Supermarktchef persönlich darum, dass uns das fehlende Produkt von seinem Mitarbeiter innerhalb von zwei Stunden (ja, ich wartete solange höflich) geliefert wurde. Und beim Übernachten neben einem Food Court (wo wir eine magische Sonnenfinsternis miterleben durften) bekam ich nachts Durchfall und Fieber, weshalb wir mich am nächsten Tag mit Verdacht auf Malaria ins Krankenhaus brachten. Was man halt alles so erlebt, wenn man einmal quer durch Indien fährt. Die Blutuntersuchung auf Malaria fiel glücklicherweise negativ aus. Unglücklicherweise hielt ich ein paar Tage später einen positiven Covid-Schnelltest in der Hand. Ich hatte mir im Krankenhaus tatsächlich Corona eingefangen (vermutlich weil einer der Mitarbeiter permanent hustete, wobei der Chefarzt auf unsere kritische Nachfrage bloß beteuerte: „This hospital is 100 percent covid free!“). 

Ende Oktober 2022 erreichten wir Mumbai. Wir kamen an einem Freitag kurz vor Feierabend im Büro von der Verschiffungsfirma NMT an, mit der wir zwar schon wochenlang in E-Mail-Kontakt standen, es jedoch so schien als würden sie keinen Finger rühren bis wir tatsächlich mit dem zu verschiffenden Fahrzeug vor Ort wären. Und so war es dann auch. Auf einmal machte alles einen halbwegs professionellen Eindruck, wir wurden in einem Meetingraum mit Getränken versorgt, lernten unsere Ansprechpersonen kennen und konnten die nächsten Schritte persönlich miteinander besprechen. Puh, waren wir erleichtert! Überhaupt fiel uns in Mumbai ein riesiger Stein vom Herzen. An der Hafenpromenade, wo wir uns in der ersten Nacht hinstellten, beobachtete ich morgens bei einem kühlen Lüftchen das sportliche Treiben und war zu Tränen gerührt endlich auch wieder Hundebesitzer*innen und Frauen in kurzen Sportklamotten zu sehen. Indien ist nicht gleich Indien und die Fahrt durch Uttar Pradesh hatte uns doch einiges abverlangt. Was für ein gutes Gefühl, nach so langer Zeit wieder in einer Metropole angekommen zu sein. Über die iOverlander App fanden wir eine nostalgische Tankstelle, die als Treffpunkt für Reisende diente. Der nette Tankstellenbesitzer Daniel ließ uns dort ein paar Tage lang stehen, damit wir den Bus für die bevorstehende Verschiffung fertig machen konnten. Alle Kisten raus, Inventurliste machen, den Innenraum von oben bis unten entstauben, Außenwäsche vom Dach bis zum Unterboden, zwischendurch Klamotten waschen lassen und im Café nebenan Pizza bestellen. Daniel war mega hilfreich und stellte den Kontakt zu einem Agenten her, der – wie sich herausstellte – auch für unsere Verschiffung zuständig war. Dieser Direktkontakt war Gold wert, denn von NMT als unseren eigentlichen Vertragspartner bekamen wir in den kommenden Tagen leider viel zu wenig Informationen. Der Agent hingegen lieferte ab und dank seiner Hilfe konnte die Containerbeladung mittels hölzerner Plattform überhaupt durchgeführt werden. Für Unterhaltung auf dem Tankstellenhof sorgte eine solo-reisende Influencer Mom, die ihr Offraod Fahrzeug zur WM nach Qatar verschiffen wollte (warum auch immer) und alle Details ihrer Reise social-media-wirksam auf YouTube und Instagram veröffentlichte. Als wir nach drei Tagen mit der Busputzaktion fertig waren wurde ich mit einer fetten Erkältung krank. Wir hatten am Fahrzeug zum Glück alles soweit vorbereitet und stellten uns wieder an die Hafenpromenade, wo ich mich ein bisschen auskurieren konnte. Irgendwann fing auch Marco an zu kränkeln. Trotzdem gab es noch einiges zu erledigen. Um es mal stichpunktartig abzukürzen: Online-Flugtickets, Flughafenschalter, Hotline-Warteschlange, 50 Dollar Extrakosten, Tierarzt, Rollboxtraining, Landstrom, Parkplatzwächter, Augenentzündung, Augenarzt, Antibiotika, Bank, NMT, Papiere unterschreiben, Kofferkauf, Bus auf die Waage, AQCS, Export Zertifikat, Tierdokumente für die Airline. Zwischendurch probierten wir in der Apotheke an Schnelltests zu kommen, doch die gab es nirgends zu kaufen. Wir bestellten uns irgendwann welche zum Bus und siehe da… die Erkältung entpuppte sich als Corona Infektion (ihr erinnert euch an meinen Krankenhausaufenthalt mit dem hustenden Pfleger). Ein paar Tage schlossen wir uns also noch mit Essen vom Lieferdienst im Bus ein. Dann stand eine neue Woche voller Drama bevor: Die Hotelsuche mit Hund wurde zum Drama, das Loading am Hafen wurde zum Drama und als ob das noch nicht genug war landete Marco auch noch (selbstverschuldet) mit einer Koffein-Überdosis im Krankenhaus. Das war überhaupt nicht lustig, aber eine gewisse Ironie hatte die Szene als uns ein Tuktuk-Fahrer in rasender Geschwindigkeit den Berg hinab zur Klinik fuhr und Marco theatralisch aus dem Tuktuk kotzend in der Notaufnahme mit einer rollenden Liege empfangen wurde. Am Ende wurde alles gut. Marco hat den Krankenhausaufenthalt überlebt. Wir haben Corona überstanden. Unser Bus wurde abenteuerlich, aber erfolgreich auf den Flat Rack Container geladen. In letzter Minuten haben wir am Tag unseres Abfluges die Zolldokumente von NMT zurückbekommen und in allerletzter Minute den Flughafen erreicht, nachdem mehrere Taxifahrer unseren Hund nicht mitnehmen wollten. Ach ja, ein letztes kleines (selbstverschuldetes) Drama ereignete sich noch am Flughafen, weil Marco versehentlich eine Gas-Kartusche dabeihatte, die er vor dem Security Check abgeben wollte. Das sorgte für Zuständigkeitsverwirrungen am Einlass des Flughafens und kostete uns einiges an Wartezeit. Doch den Hund konnten wir glücklicherweise noch rechtzeitig beim Checkin abgeben. Tja, und dann konnten wir es selbst nicht glauben als wir am 12. November 2022 pünktlich im Flugzeug saßen – auf dem geplanten Nachtflug von Mumbai nach Bangkok. Thailand, wir kommen!

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