Der Grenzübertritt Armenien-Iran hatte es Mitte Dezember 2021 echt in sich. Die Ausreise aus Armenien dauerte zwei Stunden, die Einreise in den Iran nahm zusätzlich drei Stunden in Anspruch. Doch die Strapazen lohnten sich, schließlich waren wir auf iranischer Seite nach Besuch der Wechselstube plötzlich Millionäre. Nach einer wunderschönen Fahrt entlang der aserbaidschanischen Grenze kamen wir abends in Jolfa an, wo wir unser erstes iranisches Restaurant aufsuchten und vom Manager prompt zum Essen eingeladen worden sind (ähm nein, das war kein Taarof – wir haben ernsthaft versucht zu bezahlen, sind jedoch kläglich gescheitert). Beim SIM-Karten-Kauf am nächsten Tag bekamen wir Unterstützung von dem Barista Yashar, der in seiner Heimatstadt Marand für seine Hilfsbereitschaft gegenüber internationalen Touristen bekannt ist. In unseren ersten Tagen im Iran lernten wir generell so viele nette und hilfsbereite Menschen kennen wie in keinem Land zuvor. Allein in Tabriz fallen mir der Videotyp vom Bazaar, der Ticketverkäufer in der Metro, der Manager im Touristenbüro, die Teppichverkäufer, der Suppenstampfer und die Unigirls ein. Durch die vielen Small-Talks dauert alles sehr viel länger. Beispielsweise die Autoversicherung abzuschließen hat mindestens zwei Stunden gedauert. Tanken bedeutete für uns ab sofort A) eine Tankstelle zu finden, die überhaupt Diesel anbietet und B) dort mehrere LKW-Fahrer anzuquatschen, ob wir deren Diesel-Karte benutzen dürfen. Doch auch dieser Aufwand lohnte sich, schließlich zahlten wir pro Tankfüllung umgerechnet ein bis zwei Euro (richtig gelesen: nicht pro Liter, sondern pro Füllung!!!). Auf der Suche nach Ersatzteilen probierte Marco bei Iran Khodro Diesel sein Glück. Im Iran fahren nämlich überall Minibusse rum, vom gleichen Modell wie unser Düdo. Ein Augenschmaus im Straßenverkehr. Außerdem freuten wir uns über die vielen Kurzhauber, die teilweise hochbeladen und prominent geschmückt waren.
Ein weiterer Augenschmaus im Iran sind die vielen Moscheen, Gedenk- und Grabstätten. Das Mausoleum in Ardabil war für uns die erste Sehenswürdigkeit, die wir bewusst besucht haben. Wenn schon die Fassade prunkvoll war, dann stellt euch mal vor, wie es Innen ausgesehen hat (dort haben wir jedoch aus Respekt keine Fotos gemacht). Ein Augenschmaus jagt den nächsten, ein Gaumenschmaus jagt den nächsten. Unser neues Lieblingsessen: Hühnchen mit Reis. Häufig serviert mit zwei gegrillten Tomaten, einer halben Zwiebel und einer halben Zitrone. Struppis Lieblingsessen: Alles was auf dem Boden zu finden ist. Eine echt doofe Eigenschaft, die man einer ehemaligen Streunerin nur schwer abgewöhnen kann. Angeleint nimmt sie mittlerweile nichts mehr ins Maul, aber ohne Leine denkt sie sich: Friss oder stirb. Leider im wahrsten Sinne des Wortes, denn nach einem schönen Abend in Ardabil (mit Einladung zum Tee bei Locals) mussten wir am nächsten Morgen einen Tierarzt aufsuchen.
Struppi hatte sich nachts mehrmals übergeben und neben Stuhlproblemen zählten auch ein geschwollenes Auge und merkwürdige Flecken am Bauch zu ihren Symptomen. Long story short: Der Tierarzt in Ardabil war nicht zu gebrauchen (Stichwort: Antibiotika-Cocktail), deshalb fuhren wir noch am gleichen Tag zu einer Tierklinik nach Rasht. Eine Horrorstrecke von 250 Kilometern, für die wir 8 Stunden benötigten. Während der Fahrt mussten wir unsere kranke Hündin betreuen, die abwechselnd an Durchfall und Erbrechen litt. Wir schrieben parallel unsere Veterinär-Kontakte in Deutschland und Armenien an, die per Ferndiagnose vermuteten, was das Team in Rasht später herausfand: Verdacht auf Intoxikation durch Rattengift. Drei Tage mussten wir im Pet Hospital bleiben (bzw. „wohnten“ wir in unserem Bus einfach davor). Struppi erhielt zahlreiche Vitamin-K-Infusionen und ihr Blut wurde täglich untersucht. Wir freundeten uns mit dem Klinik-Team an, bekamen Tee zum Bus gebracht und verabredeten uns am letzten Abend (als es Struppi wieder deutlich besser ging) sogar zu einer kleinen Spritztour ans Meer, wo die Mitarbeiter uns mit einem Lagerfeuer und BBQ überraschten. So hatte die schlimme Situation am Ende auch ihre guten Seiten. Ende gut alles gut?
Unser Hund war wieder fit wie ein Turnschuh, was uns Struppi bei einer kleinen Wald-Wanderung mit Begeisterung beim Sprinten durch das Unterholz bewies. Am Kaspischen Meer führte unsere Strecke immer der Küste entlang, wo Struppi bei einer ausgiebigen Spazier-Pause zum ersten Mal das Meer und den Strand kennenlernte. Sie hatte wahnsinnigen Spaß beim Herumtollen mit Muscheln, Möwen und Meeresrauschen.
In Chalus sind wir morgens bei sommerlichen Temperaturen am Meer aufgewacht. Über eine traumhafte Pass-Straße erreichten wir mittags die weißbedeckte Höhe und wurden vom Schneeräumer-Team zum Chai eingeladen. Weiter ging unsere Fahrt durch die Winterlandschaft bis nach Dizin, einem Ski-Gebiet mit kleinen Chalet-Hütten, wo wir gleich mehrere abendliche Einladungen erhielten. Es war der 21. Dezember 2021 und die Iranerinnen und Iraner feierten die Yalda-Nacht. Die Einladung von einer besonders herzlichen Familie nahmen wir dankend an und fanden uns zu später Stunde in einer gutgelaunten Meute wieder – bestens versorgt mit Köstlichkeiten, Musik, Shisha und lustigen Getränken. Leider waren die Pisten geschlossen, sonst hätten wir am nächsten Tag bestimmt noch eine Ski-Fahrt gewagt. Aber so genossen wir noch eine letzte Runde Sisha auf der Familien-Veranda, bevor wir in Richtung Tehran aufbrachen.